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Mysteriöser Tod in Moskau Warum erschoss sich Russlands Transportminister?

Der Tod des russischen Transportministers Roman Starowoit lässt aufhorchen – kurz vor dem offiziellen Auffinden seiner Leiche wurde seine Entlassung bekannt gegeben. Starowoit war vor seiner Ernennung zum Transportminister Gouverneur der Region Kursk. SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie ordnet die Vorgänge in Moskau ein.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Was weiss man zu Starowoits Tod sicher?

Zu den Umständen des Todes von Roman Starowoit ist vieles unklar. Er soll sich in der Nähe seines Wohnorts auf Moskauer Gebiet in oder neben seinem Auto erschossen haben, auf einem Parkplatz unweit seines Zuhauses. Aber vor allem zum Zeitpunkt seines Todes gibt es widersprüchliche Angaben: Es schien zunächst so, als habe er sich nach der Bekanntmachung seiner Entlassung selbst umgebracht. Einige Quellen berichten aber, er sei schon am Wochenende gestorben. Es scheint jedoch klar, dass sein Suizid mit der Entlassung zusammenhängt. Und diese wiederum dürfte mit den schweren Korruptionsvorwürfen gegen Starowoit verbunden sein.

Suizidgedanken? Hier finden Sie Hilfe

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Erwachsene: Dargebotene Hand/Sorgentelefon

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Kinder und Jugendliche: Pro Juventute

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Was wurde Starowoit vorgeworfen?

Er soll Gelder veruntreut haben, die für den Bau von Verteidigungsanlagen in der Region Kursk vorgesehen waren. Denn Starowoit war vor seiner Ernennung zum Transportminister sechs Jahre lang Gouverneur von Kursk. Ein paar Monate nach seinem Wechsel in die russische Regierung wurde die Region Kursk von ukrainischen Truppen angegriffen und ein guter Teil des Grenzgebiets eingenommen. Offensichtlich war Russland auf den Angriff nicht vorbereitet – und dafür sollen Starowoit und einige seiner Untergebenen verantwortlich sein, heisst es. Sie sollen das gesprochene Geld statt in Verteidigungsanlagen in die eigene Tasche gesteckt haben.

Kampf um die Region Kursk

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Putin und Starowoit an Putins Tisch.
Legende: Der russische Präsident Wladimir Putin (links) trifft den russischen Verkehrsminister Roman Starowoit im Kreml in Moskau im Januar 2025. Keystone / GAVRIIL GRIGOROV

Weite Teile der russischen Region Kursk an der Grenze zur Ukraine wurden von der ukrainischen Armee im Sommer 2024 in einer Blitzaktion erobert. Die russische Armee konnte das Gebiet erst Monate später und unter Mithilfe Tausender nordkoreanischer Soldaten zurückerobern. Bis heute halten die Ukrainer einige Quadratkilometer der russischen Region.

Wie gross ist die Korruption in der russischen Armee?

Der Krieg gegen die Ukraine zeigt, dass die Korruption immens ist. Es gibt unzählige Berichte, wonach Soldaten mit defekter oder unzureichender Technik oder mit abgelaufenen Essensrationen versorgt werden. Der Kreml hat das schon länger auf dem Schirm: Letztes Jahr wurde Verteidigungsminister Sergei Schoigu abgesetzt, seither laufen Säuberungen – Beamte und Offiziere im Verteidigungsministerium, denen Korruption vorgeworfen wird, wurden verhaftet. Im Putin-System ist Korruption allerdings allgegenwärtig. Sie wird sogar geduldet als eine Art Kontrollmechanismus: Wenn alle korrupt sind, hat Putin gegen jeden etwas in der Hand und kann Loyalität verlangen. Aber Korruption wird nicht mehr geduldet, wenn sie sich negativ auf den Kriegsverlauf auswirkt.

Ist Starowoit ein Sündenbock?

Einerseits wohl schon. Das Debakel in Kursk konnte der Kreml nicht einfach als Pech abschreiben, da brauchte es einen Verantwortlichen. Es liegt aber auch nahe, dass Starowoit nicht der Rädelsführer dieses Korruptionsrings in Kursk war. Er hatte Verbindungen zu mächtigeren Figuren, die wiederum Putin nahestehen. Und in Kursk wurden offenbar so viele Gelder gestohlen, dass möglicherweise auch diese Figuren beteiligt waren. Starowoit sollte wohl als Hauptverantwortlicher inszeniert werden, um diese Leute aus der Affäre zu ziehen. Es wird deswegen teilweise spekuliert, Starowoit sei ermordet worden oder ihm sei der Suizid nahegelegt worden. Sicher aber drohte ihm eine besonders harte Strafe – am wahrscheinlichsten ist, dass er sich vor diesem Hintergrund das Leben genommen hat. 

Das Phänomen des «Fenstersturzes»

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Seit Beginn des Grossangriffs auf die Ukraine sind zahlreiche russische Manager unter ungeklärten Umständen umgekommen, mehrere von ihnen starben bei Stürzen aus Fenstern. Erst letzte Woche stürzte ein weiterer russischer Ölmanager aus einem Fenster und fand so den Tod. Inzwischen ist der «Fenstersturz» schon zu einer Metapher auf ein Regime geworden, das sich so unliebsamer Personen entledigt.

Doch dieses Bild ist wohl zu einfach gezeichnet: Natürlich können die Sicherheitskräfte bei einigen dieser Todesfälle die Hände im Spiel gehabt haben. Doch Russland hat eine hohe Suizidrate, und vor allem ist der Druck im russischen Privatsektor und unter mittelrangigen Beamten derzeit immens – denn staatliche Gelder fliessen fast nur noch in den Rüstungssektor. Und so werden im allgegenwärtigen russischen Korruptionsnetzwerk vielerorts die Mittel knapp. Da kommt es vor, dass Rivalen auf niederer Ebene einander gegenseitig ausschalten. Oder dass sie aus verschiedenen Gründen bei diesem hochriskanten Spiel nicht mehr weitermachen wollen.

Rendez-vous, 8.7.2025, 12:30 Uhr ; 

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