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Nach dem Angriff der USA Gefahr durch beschädigte Atomanlagen in Iran? – Experte beruhigt

Strahlungsgefahr geht nicht aus, sagt ein Nuklearforscher. Aber was ist mit möglichen Atombombenplänen?

Laut Georg Steinhauser, Professor an der technischen Universität Wien, geht von den beschädigten Anlagen keine Gefahr für die Welt aus. «Selbst wenn die Zentrifugen zum Zeitpunkt des Angriffs gelaufen sind und mit Uran bestückt waren: Das wäre eine geringe Menge gewesen, und Uran ist bedingt durch seine lange Halbwertzeit fast nicht radioaktiv», sagt der namhafte Nuklearforscher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA). 

US-Berichte: Fordo mutmasslich zerstört

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Die wichtige unterirdische Uran-Anreicherungsanlage in Fordo im Iran ist US-Medienberichten zufolge bei den Angriffen der USA mutmasslich zerstört worden. Mehrere schwere sogenannte Bunkerbrecher-Bomben seien auf die Atomanlage abgeworfen worden, berichteten die «New York Times» und der Sender Fox News. Der Moderator des Senders, Sean Hannity, hatte nach eigenen Angaben mit US-Präsident Donald Trump gesprochen. Hannity berichtete danach, es sehe so aus, als hätten die USA Fordo vollständig zerstört. Die nuklearen Ambitionen des Irans seien offiziell tot, sagte er. Die «New York Times» berichtete unter Berufung auf einen Regierungsbeamten, dass erste Schadensbewertungen darauf hindeuteten, dass die Anlage zerstört sei.

In Bezug auf die Anlage in Fordo sagte Steinhauser: «Eine Freisetzung von Uran aus dieser Anlage wäre eine lokale Belastung mit dem Schwermetall Uran, aber man darf sich nicht vorstellen, dass da eine radioaktive Wolke wie seinerzeit in Tschernobyl oder Fukushima verursacht werden kann, die um den Planeten zieht.» 

Die Internationale Atomenergieagentur IAEA, die die iranischen Atomanlagen überwachte, hat keine erhöhte Radioaktivität festgestellt, wie sie wenige Stunden nach dem Schlag mitteilte. 

Später ergänzte sie, dass die Anlagen in Isfahan entweder kein oder nur geringe Mengen an nuklearem Material enthielten. Eine mögliche Verseuchung sei auf die beschädigten oder zerstörten Gebäude beschränkt. Bei dem Material habe es sich um natürliches oder niedrig angereichertes Uran gehandelt.

Tschernobyl und Fukushima – die grössten Katastrophen

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Im ehemaligen sowjetischen Atomkraftwerk Tschernobyl – heute auf dem Gebiet der Ukraine – kam es 1986 bei einem Unfall zu einer Kernschmelze. Es wurden grosse Mengen an Radioaktivität freigesetzt, die bis nach Westeuropa zogen.

Im japanischen Atomkraftwerk Fukushima gab es 2011 nach einem schweren Erdbeben und Tsunami ebenfalls eine Kernschmelze. Auch dort wurden radioaktive Stoffe freigesetzt und verbreiteten sich global.

Das iranische Atomprogramm dürfte in Trümmern liegen, meinte Steinhauser. «Da nicht nur die Anreicherungsanlagen, sondern auch die Zentrifugenfabriken angegriffen worden sind, wäre es eine Frage von Jahren oder womöglich Jahrzehnten, um das iranische Atomprogramm wieder aufzubauen.»

Der Iran besitzt laut IAEA gut 400 Kilogramm auf 60 Prozent angereichertes Uran. Dieses zu finden sei wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. «So eine Menge passt in ein paar Schuhkartons, sofern das Uran in seine metallische Form umgewandelt wurde», sagte Steinhauser.

Viele iranische Wissenschafter sind tot

Theoretisch sei nicht ausgeschlossen, dass der Iran versuche, mit dem Material eine improvisierte Atombombe zu bauen. «Die wäre aber wahrscheinlich ungleich grösser und schwerer zu transportieren, und das wäre für die iranischen Raketensysteme zu klobig. Die Trägersysteme sind darauf nicht ausgerichtet.» 60 Prozent angereichertes Uran sei eine schlechte Qualität, sagte Steinhauser. Noch nie habe jemand versucht, damit eine Bombe zu bauen. 

Mehrere Atomwissenschaftler hat Israel ja getötet. Da reicht es nicht, dass die vielleicht ihr Wissen aufgeschrieben haben.
Autor: Georg Steinhauser Atomexperte und Professor an der technischen Universität Wien

Sämtliche iranischen Pläne dürften für qualitativ hochwertiges Material ausgelegt gewesen sein. «Das wäre so, als wenn man einen Rennwagen entwickelt und die Planung mit einem Formel-1-Motor rechnet, aber dann plötzlich doch nur noch den Motor eines Traktors zur Verfügung hat», sagte Steinhauser. Um unter diesen Umständen eine Bombe zu bauen, bräuchte es sehr kreative Köpfe, sagte Steinhauser. «Aber mehrere Atomwissenschaftler hat Israel ja getötet. Da reicht es nicht, dass die vielleicht ihr Wissen aufgeschrieben haben.»

SRF 4 News, 22.06.2025, 12:30 Uhr ; 

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