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Trauer und Wut im Iran
Aus 10 vor 10 vom 06.01.2020.
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Nach der Tötung von Soleimani Schlachtfeld Irak?

Die Zeichen stehen auf Eskalation: Ein offener militärischer Konflikt zwischen Teheran und Washington ist aber nicht die wahrscheinlichste Entwicklung.

Was sich US-Präsident Donald Trump genau überlegt hat, als er die gezielte Tötung des iranischen Generals und Nationalhelden Soleimani befahl, ist unklar. Möglicherweise nicht allzu viel, ausser sich selber als starken Mann zu inszenieren. Eine klare Iran-Strategie, ein grosser Plan ist jedenfalls weder im Weissen Haus noch im Pentagon zu erkennen. Auch nicht der Wille, gegen den Iran in einen grossen Krieg zu ziehen.

Zu gravierend wäre das Risiko – und zu unpopulär wäre ein solcher Waffengang gerade auch unter den Trump-Wählern. Das iranische Regime hat, bei nüchterner Betrachtung, ebenfalls kein Interesse an einem direkten Schlagabtausch mit den Amerikanern. Ein solcher wäre enorm verlustreich und aufgrund der Kräfteverhältnisse gar nicht zu gewinnen.

Kriege brechen auch ungewollt aus

Also kann man eigentlich weder in Washington noch in Teheran einen Krieg wollen. Das Problem jedoch ist: Es sind schon viele Male «ungewollte» Kriege ausgebrochen. Durch Provokationen und übertriebene Gegenreaktionen, durch Fehleinschätzungen, durch Kurzschlusshandlungen. Entsprechend beunruhigend ist es deshalb, wenn die Situation jetzt weiter eskaliert, selbst unterhalb der Kriegsschwelle.

Am wahrscheinlichsten ist, dass der Irak der Hauptschauplatz künftiger Schläge und Gegenschläge sein dürfte. Verübt durch Soldaten der beiden Armeen, aber – und wohl gar hauptsächlich – durch verbündete Milizen, durch Söldner oder mittels geheimer Kommandooperationen.

Aufstockung der US-Truppen

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Besonders stark ist die militärische Präsenz der USA im Irak zurzeit nicht. Die Zeiten sind längst vorbei, als Washington dort nach dem Sturz von Diktator Saddam Hussein 2003 mehr als 170'000 Soldaten stationiert hatte. Heute sind es bloss noch etwas mehr als 5000. 3000 Mann sollen nun zusätzlich in den Mittleren Osten geschickt werden. Das Gros der US-Präsenz besteht ohnehin nicht aus Kampftruppen, sondern aus Ausbildnern, Beratern, Technikern und Geheimdienstleuten, welche die irakische Armee aufbauen und sie im Kampf gegen die Terrormiliz IS unterstützen sollen. Das gilt ebenfalls für die bescheidenen Truppenkontingente anderer Nato-Staaten im Irak.

Geht es nach dem Willen des irakischen Parlaments, sollen die US-Kontingente nun abgezogen werden. Das verlangen vor allem die Iran-nahen Schiiten, jedoch nicht die sunnitischen und kurdischen Minderheiten im Irak. Ob und in welchem Umfang ein US-Abzug stattfindet, ist deshalb ungewiss. Sicher ist jedoch, dass die aus Teheran gesteuerten und kampfstarken schiitischen Milizen im Irak präsent und einflussreich bleiben werden.

Trump kann seine Versprechen nicht einhalten

Für Trump geht es mittlerweile im Irak nicht mehr um die Bekämpfung der zurzeit geschwächten – aber aufgrund der Wirren möglicherweise bald wieder erstarkenden – IS-Terroristen. Er, der eigentlich den militärischen Rückzug der USA aus dem Nahen Osten einläuten wollte, sieht sich nun aufgrund seiner Konfrontationspolitik gegenüber dem Iran dazu gezwungen, dort zu bleiben. Auf unbestimmte Zeit. Und mit dem Hauptziel, den iranischen Einfluss einzudämmen. Im Irak selber und indirekt im ganzen Nahen Osten, in Syrien, im Libanon, im Jemen.

Trump verpasst damit auch sein deklariertes Ziel, sich auf die machtpolitischen Hauptherausforderer China und Russland zu konzentrieren, statt sich im nahöstlichen Chaos zu verheddern.

Falken geben den Ton an

Die wünschenswerte Variante bestünde nun darin, dass sich die beiden verfeindeten Mächte auf Verhandlungen verständigten und versuchen würden, die Spannungen schrittweise abzubauen.

Vorläufig sieht es aber überhaupt nicht danach aus. In beiden Hauptstädten, in Washington wie in Teheran, geben die Falken den Ton an. Entsprechend ist die wahrscheinlichste Variante ein möglicherweise über lange Zeit andauernder Austausch von Feindseligkeiten, mal kleineren, mal grösseren. Verbunden mit dem steten Risiko, dass daraus doch noch ein direkter Krieg entsteht.

Fredy Gsteiger

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

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Irans Atomprogramm: Bleibt eine Hintertüre offen?
aus Echo der Zeit vom 06.01.2020. Bild: Keystone
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