Eigentlich sollte der Rückzug der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kooperationsbüros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) aus Afghanistan im August 2021 geordnet erfolgen. Doch bei der Einschätzung, wann die Taliban die Hauptstadt einnehmen könnten, hatten sich die ausländischen Beobachter vertan.
Am Ende blieb den Deza-Angestellten nur die Flucht in gepanzerten Fahrzeugen zum Flughafen Kabuls, begleitet von Personenschützern einer finnischen Sicherheitsfirma. Zuvor mussten sie in aller Eile die wichtigsten Dokumente sichern und Teile des Archivs verbrennen.
Dauerpräsenz in Kabul
Nun kehren Deza-Angestellte zurück nach Kabul. Diesen Sommer, wenn alles nach Plan verläuft. Die humanitäre Lage ist nach den Worten des stellvertretenden Direktors des Deza, Dominik Stillhart, «dramatisch». Es fehle an allem. Mehr als die Hälfte der Afghaninnen und Afghanen ist auf ausländische humanitäre Hilfe angewiesen.
Wenn man nur alle zwei, drei Monate da ist, ist es schwierig am Puls zu bleiben. Wenn man dort ist, kann man die Programme gezielt ausrichten auf die notleidende Bevölkerung.
Die Schweiz hat nach einem Unterbruch vor zwei Jahren ihre humanitären Programme für das Land wieder aufgenommen. Gesteuert wurden sie aus Islamabad, in Pakistan, wo die Schweiz eine diplomatische Vertretung unterhält. Von dieser Arbeitsweise rückt die Schweiz nun ab. Eine Präsenz vor Ort sei «wirkungsvoller», meint Dominik Stillhart. «Wenn man nur alle zwei, drei Monate da ist, ist es schwierig am Puls zu bleiben. Wenn man dort ist, kann man die Programme gezielt ausrichten auf die notleidende Bevölkerung.»
Konzentration auf Grundversorgun g
Das neue Koordinationsbüro sollen vier Schweizer Angestellte und einige lokale betreiben. Es soll wieder in der sogenannten «Grünen Zone» entstehen, einem Areal mitten in Kabul, wo sich bis zur Machtergreifung der Taliban die ausländischen Botschaften befanden – schwer gesichert. Die Deza-Angestellten werden sich darauf konzentrieren, die Grundbedürfnisse der Menschen abzudecken, ihnen den Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und medizinischen Versorgung zu ermöglichen.
Wir unterstützen wirklich gezielt Organisationen, die von Frauen geführt werden.
24 Millionen Franken sind für diese Hilfsleistungen budgetiert. Mit diesem Geld unterstützt die Schweiz das UNO-Welternährungsprogramm, die Weltbank oder das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK). Aber auch Programme von ausländischen und lokalen NGOs erhalten davon Zuschüsse.
Schwerpunkt Menschenrechte
Die radikal-islamistische Taliban-Regierung hat eine Reihe von Verboten erlassen, die die afghanische Gesellschaft einschränken. Am stärksten davon betroffen sind Frauen und Mädchen. Mädchen dürfen nach der sechsten Klasse nicht mehr in die Schule. Von Studium oder Beruf werden sie ausgeschlossen. Frauen sind im Berufsleben massiv eingeschränkt: Ausnahmen sind Tätigkeiten im Gesundheitsbereich.
Gerade Frauen, sagt der stellvertretende Deza-Direktor Stillhart, würden sich über die Rückkehr der Deza-Helferinnen und Helfer freuen. Sie hätten ihm erzählt, dass damit für sie ein gewisser Freiraum entstehe, innerhalb dessen sie arbeiten könnten. Diese Einschätzung decke sich mit der Absicht der Deza, betont Stillhart: «Wir unterstützen wirklich gezielt Organisationen, die von Frauen geführt werden.»