Im Mai verkündete US-Präsident Donald Trump das Ende der Sanktionen gegen Syrien. Kurz darauf folgten die EU und Grossbritannien. Ausländische Investoren, darunter Saudi-Arabien, kündigten milliardenschwere Programme an, um die krisengeplagte Wirtschaft wiederzubeleben. Auf den Strassen von Damaskus aber herrscht Ernüchterung: Der Alltag vieler Unternehmen hat sich kaum verändert, und die erhoffte Wende bleibt aus.
Ich bräuchte 100 Jahre, um alles abzuheben.
Beim traditionsreichen Pharmaunternehmen Medico rattern die Abfüllmaschinen weiter, als wäre nichts geschehen in Syrien. Die Maschinen füllten schon Heilsalben in Tuben ab, als noch Baschar al-Assad an der Macht war – und tun dies auch weiterhin.
Medico produziert hauptsächlich für den syrischen Markt, deshalb war der Verkauf von den Sanktionen nicht sonderlich betroffen – die Produktion jedoch schon, sagt Firmenchef Muhamed Nabil Al-Kassir: «Wir mussten die Ersatzteile für die teuren Anlagen früher aus dem Ausland über Jordanien oder den Libanon schmuggeln.»
Jetzt könnten Bestellungen einfacher sein, doch blockierte Bankkonten verlangsamten das Geschäft. Selbst im Libanon, einst Finanzdrehscheibe der Region, kann Al-Kassir nur 800 Dollar pro Monat abheben. «Ich bräuchte 100 Jahre, um alles abzuheben», sagt er sarkastisch.
Syrien war immer ein Exportland, jetzt herrscht Stillstand.
Ähnlich geht es Nizar Dabian von der Logistikfirma BTB-Cargo. Offiziell sind Importe einfacher geworden, sogar zuvor verbotene Produkte dürfen wieder eingeführt werden. Nach dem Machtwechsel seien die Grenzen zeitweise weit offen gewesen, Autos konnten importiert werden, doch das Geld floss ins Ausland. Die Kaufkraft der Bevölkerung ist eingebrochen, Exporte stagnieren, und selbst alltägliche Waren sind für viele unerschwinglich. «Syrien war immer ein Exportland, jetzt herrscht Stillstand», sagt Dabian.
Engpässe bei den Banken und der Infrastruktur
Die Banken versprechen günstige Kredite, doch bisher ist kein Geld geflossen. Die syrische Zentralbank verkündete im Juni die Rückkehr zum internationalen Swift-System – bislang gab es jedoch nur eine einzige Testüberweisung. Unternehmer warten ungeduldig auf funktionierende Kanäle, um Waren zu bezahlen und Zahlungen zu empfangen.
Auch die Infrastruktur ist ein Engpass: Die Frachthäfen in Tartus und Latakia sind veraltet und auch am Flughafen von Damaskus findet laut Nizar Dabian praktisch kein Warenumschlag statt. Zwar fliegen inzwischen mehr internationale Airlines die Hauptstadt an, doch fast ausschliesslich mit Passagiermaschinen. Der Warentransport laufe noch immer hauptsächlich über die Landgrenzen und das sei langsam, sagt der Chef der Logistikfirma.
Ohne Sicherheit kein Aufschwung
Unterdessen leidet die Bevölkerung weiter unter steigender Armut und einem dramatischen Wertverlust des syrischen Pfunds. Von den Sanktionserleichterungen profitieren bislang vor allem einzelne Händler und Importeure, während breite Teile der Wirtschaft weiter im Stillstand verharren. Experten sind sich einig: Ohne Investitionen in Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Infrastruktur bleibt die wirtschaftliche Erholung Syriens ein fernes Versprechen – und der angekündigte Aufschwung nur ein Wort in Regierungsreden.