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Der neue Vertreter Israels Der Botschafter über seinen Start in Bern und Kritik an Israel

Der Gazakrieg vergiftet das politische Klima auch in der Schweiz. Tibor Schlosser hat als Vertreter seines Landes keine einfache Aufgabe.

Viel Zeit, um in Bern anzukommen und seine Koffer auszupacken, hatte Israels neuer Botschafter Tibor Schlosser nicht: die Gedenkanlässe zum zweiten Jahrestag des Hamas-Angriffs auf Israel standen kurz bevor, und das inmitten zunehmend heftiger Kritik an Israels Kriegsführung im Gazastreifen.

Dass er im August, als neuer Botschafter Israels, in der Schweiz nicht nur Blumen erhalten hat, daraus macht der 64-Jährige keinen Hehl. «Die Haltung ist gespalten. Aber ich möchte betonen: man hat mich sehr angenehm empfangen, auch die Israel-Kritiker. Das tut gut.»

Neuer Botschafter in Bern

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Tibor Schlosser hat sein Amt als Botschafter Israels in der Schweiz am 15. September angetreten. Er löste die Botschafterin Ifat Reshef ab, welche Israel seit November 2021 in der Schweiz vertreten hatte. Schlosser beherrscht alle Landessprachen ausser Rätoromanisch. Neben der Schweiz arbeitete er bereits in Deutschland und Italien.

Wie angespannt die Stimmung ist, erfuhr Ende September sogar ein Bundesrat: Aussenminister Ignazio Cassis musste in Bellinzona unter Polizeischutz vor einer pro-palästinensischen Demonstration flüchten.

Nicht ohne Polizeischutz

Ohne Polizeischutz kann der israelische Botschafter nirgendwo hin. Oder, wie er sagt: «Ob ich das kann, weiss ich nicht. Aber ich darf das nicht.»

Ich bin heute immer noch in einem Trauma, wie alle.
Autor: Tibor Schlosser Israelischer Botschafter

Tibor Schlosser wuchs im Kibbutz Gezer auf. Diesen Kibbutz hatte die bekannte Aktivistin für Frieden und Frauenrechte, Vivian Silver, in den 1970er- und 80er-Jahren geprägt und sogar geleitet. Am 7. Oktober 2023 wurde sie im Kibbutz Be'eri von der Hamas ermordet. «Das war für uns ein grosser Schock. Vivian war eine Kämpferin für den Frieden. Und leider waren solche Leute die Ersten, die getötet wurden.»

Menschen demonstrieren mit Plakaten und Fahnen auf einer Strasse.
Legende: Angehörige und Freunde von Opfern und Entführten marschierten Mitte November 2023, einen guten Monat nach den Hamas-Angriffen, vom Kibbutz Richtung Jerusalem. REUTERS / Ronen Zvulun

Tibor Schlosser hat im Hamas-Massaker vor zwei Jahren Freunde verloren, Menschen, die er kannte, wurden entführt. Eine einschneidende Erfahrung. Hat ihn das verändert? «Ich bin heute immer noch in einem Trauma, wie alle. Solange die Geiseln nicht zurück sind, geht dieses Trauma nicht weg.»

Israel trauert, die Welt kritisiert

Während er und sein Land den Schmerz des 7. Oktober noch lange nicht verarbeitet haben, zeigt die Welt immer weniger Verständnis für Israels Kriegsführung im Gazastreifen. Zehntausende Getötete, das unbeschreibliche Leiden der Zivilbevölkerung seit zwei Jahren und die noch andauernde Zerstörung der gesamten Lebensgrundlage der Menschen dort: in all dem erkennen selbst viele befreundete Staatschefs keinen Sinn mehr.

Menschenmenge bei Sonnenuntergang mit palästinensischen Fahnen.
Legende: In der Schweiz wird seit Kriegsausbruch immer wieder für die palästinensische Bevölkerung demonstriert. (Bild: Pro-palästinensische Demo in Genf, am 7.10.2025) KEYSTONE / Salvatore Di Nolfi

«Ich kann nur sagen, dass mir die Zivilbevölkerung, auf beiden Seiten, sehr leid tut. Auch in Israel fühlt man sich schlimm, wenn Zivilisten sterben.» Schlosser fügt aber an: Schuld sei die Hamas. «Wenn die Hamas unsere Geiseln früher freigelassen hätte, dann hätte dieser Krieg schon lange beendet werden können.»

Ich glaube zum ersten Mal, dass wir wirklich wieder eine Hoffnung haben.
Autor: Tibor Schlosser Israelischer Botschafter

Offen kritisieren kann der Botschafter seine Regierung natürlich nicht: auch wenn er das wollte. «Meine Regierung geht einen bestimmten Weg. Ob das richtig ist oder nicht, wird uns die Zukunft zeigen.»

Zur Nachfrage, wie Israel im Kampf gegen die Hamas so viel Zerstörung, Tod und Leid in Kauf nehmen könne, beruft sich der Botschafter auf die schwierige Kriegsführung in einem so dicht besiedelten Gebiet: Häuserkampf, Sprengfallen, Waffen in jedem Gebäude. Im Moment schaut er auf den Durchbruch bei den Friedensverhandlungen in Ägypten. «Ich glaube zum ersten Mal, dass wir wirklich wieder eine Hoffnung haben. Auf das Ende dieses für uns alle schrecklichen Krieges.»

Rendez-vous, 08.10.2025, 12:30 Uhr; noes

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