Über zwei Monate waren Hilfslieferungen in den Gazastreifen blockiert. Jetzt hat Israels Regierung angekündigt, die Blockade teils aufzuheben. Doch die Regierung will die Kontrolle über die Lieferungen behalten und diese als Druckmittel einsetzen, sagt Nahost-Kennerin Inga Rogg.
SRF News: Seit Monaten machen Hilfsorganisationen auf die Hungerkrise in Gaza aufmerksam. Warum will Netanjahu gerade jetzt wieder Hilfslieferungen zulassen?
Inga Rogg: Netanjahu hat sich in diesem Fall dem Druck von US-Präsident Trump gebeugt, der in den letzten Tagen mehrmals gesagt hat, dass es im Gazastreifen eine Notsituation gebe. Aber es soll nur begrenzte Hilfe geben, nicht in grossem Umfang.
Es ist nicht das erste Mal, dass Israel Hilfslieferungen blockiert und sie dann wieder zulässt. Inwiefern nutzt die Regierung diese Hilfe als Druckmittel?
Daraus macht die Regierung kein Geheimnis. Sie hat die Hilfe seit Anfang März komplett blockiert. Keine humanitäre Hilfe, nicht einmal Trinkwasser kam in den Gazastreifen. Die Regierung sagt auch dieses Mal, sie wolle damit Druck ausüben, damit die Hamas die Geiseln freigebe.
Sie hat gleichzeitig eine Grossoffensive auf den Gazastreifen gestartet, die bereits Hunderte von Toten gefordert hat. Und jetzt soll es im begrenzten Umfang Hilfe geben. Eindeutig: Die Regierung setzt die humanitäre Hilfe als Druckmittel ein, was nach dem internationalen humanitären Völkerrecht eigentlich verboten ist.
Die Hilfslieferungen will Israel zusammen mit privaten US-Firmen durchführen, anstelle der Hilfsorganisationen – um die Kontrolle darüber behalten zu können. Warum?
Die Regierung sagt, dass die Hamas von der humanitären Hilfe profitiere. Internationale Hilfsorganisation und auch die UNO sehen dafür wenig Beweise. Es ist zwar teils geschehen, dass die Hamas Hilfe für sich genommen hat, aber nicht im grossen Stil, wie es die Regierung behauptet.
Zu diesen von Israel koordinierten Hilfslieferungen sollen die Palästinenser nur in begrenzten Gebieten Zugang haben. Die Gebiete werden von amerikanischen Söldnern überwacht und im grösseren Kreis von israelischen Soldaten. Dazu sagen die UNO und auch Hilfsorganisationen: Das dürfe nicht geschehen, das bedeute eine Politisierung der humanitären Hilfe.
Gibt es überhaupt genügend Hilfsgüter, die bereitstehen?
Nein, die Lager der UNO sind komplett leer. Eine der ganz grossen Organisationen, die World Central Kitchen, die zweimal täglich warme Mahlzeiten an die Palästinenser ausgegeben hat, musste die Hilfe einstellen, weil ihre Lager leer sind. Es fehlt auch an medizinischer Versorgung. Ärzte berichten darüber, dass Behandelte, wieder zurückkommen, mit Blutvergiftungen. Dass die medizinische Versorgung der Verletzten nicht mehr gewährleistet ist.
Können diese Lager innert nützlicher Frist wieder gefüllt werden?
Die Strukturen dafür gibt es. Die UNO und die Hilfsorganisationen haben ihre Mitarbeiter vor Ort. Es gäbe auch die Lastwagen, welche die Hilfe transportieren könnten. Von der Struktur her wäre es durchaus möglich, die Palästinenser zu versorgen.
Das Gespräch führte Katrin Hiss.