Zum ersten Mal sind Vertreterinnen und Vertreter der EU und der Golfstaaten zu einem Gipfeltreffen zusammengekommen. Thema war unter anderem der Krieg im Nahen Osten. Doch viel ist dabei nicht herausgekommen. Die Politologin Bente Scheller sieht aber durchaus Bemühungen der EU, den Konflikt zu entschärfen.
SRF News: Stimmt der Eindruck nach dem Treffen von EU-Vertretern mit den Golfstaaten, dass die EU beim Krieg im Nahen Osten betont zurückhalten agiert?
Bente Scheller: Es kann sein, dass man von der EU mehr erwartet als von anderen Akteuren. Immerhin gab es viel aktive Diplomatie und Reisen von Aussenministerinnen und Aussenministern aus Europa, die versuchten, sich konstruktiv einzuschalten. Es gibt schon einiges an Bemühungen aus der EU.
Warum sind die Erwartungen an die EU so hoch?
Einerseits ist die EU durch die geografische Nähe des Konflikts durchaus betroffen, andererseits möchte sie den Frieden, den sie in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, auch an ihren Grenzen haben. Konflikte sollten aus ihrer Sicht anders gelöst werden als mit Krieg. Dem liegt auch die Werte-Orientierung der EU zugrunde.
Gibt es innerhalb der EU, die aus 27 Einzelstaaten besteht, überhaupt eine gemeinsame Haltung in der Nahostpolitik?
Man ist sich einig, dass alle Betroffenen in Israel, Libanon und den Palästinensergebieten in Frieden sollten leben können. Die Frage ist bloss, wie man in diesen Zustand kommt – und dazu gibt es eine ganze Bandbreite an Meinungen.
Eine perfekte Lösung hat niemand.
Das ist aber vielleicht gar nicht das Schlechteste. Denn die eine, perfekte Lösung hat sowieso niemand. Deshalb können die verschiedenen Stimmen durchaus ein guter Beitrag auf dem Weg zum Frieden sein.
Ausser schönen Worten kam bislang von der EU allerdings nicht viel. Was erwartet man im Nahen Osten von den Europäern?
Einige Akteure in der Region sähen gern, dass die EU Sanktionen ergreifen würde. Insbesondere solche gegen israelische Siedler sind in Brüssel ja auch im Gespräch. Das ist aber ein heikles Thema, weil sie auch Mitglieder der aktuellen israelischen Regierung treffen könnten. Ausserdem müssten Sanktionen in der EU einstimmig verabschiedet werden. Die Diskussion darüber ist in Brüssel allerdings noch nicht so weit gediehen, dass es ein eindeutiges Meinungsbild gäbe.
Ist es realistisch, dass die EU eines Tages solche Sanktionen verhängen könnte?
Das ist durchaus vorstellbar. Das wird aber stark davon abhängen, ob man überzeugt ist, dass diese Art von Druck einer Lösung des Konflikts dienlich sein kann.
Gibt es in der EU auch Diskussionen darüber, dass keine Waffen mehr in die Region geliefert werden sollen?
Auch das ist ein Thema in Brüssel. Die Diskussion wird über Offensiv- und Defensivwaffen geführt. Klar ist dabei: Israel ist von der Hamas, von der Hisbollah und von Iran angegriffen worden. Entsprechend gelten bei Defensivwaffen andere Massstäbe. Doch was Offensivwaffen betrifft, wird durchaus darüber nachgedacht, was getan werden kann, damit der Konflikt durch Waffenlieferungen nicht weiter angeheizt wird.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.