Im Gazastreifen herrscht eine heikle Atempause. Die Waffen schweigen vorerst. Wie und ob die nächsten Schritte des US-Friedensplans umgesetzt werden können, ist aber noch offen. Klar ist nur: Die humanitäre Not bleibt massiv.
Heute ruft die Glückskette zum nationalen Sammeltag auf. Zusammen mit Schweizer Partnerorganisationen soll die Hilfe in Gaza verstärkt werden. Fabian Emmenegger erklärt, weshalb genau jetzt Solidarität wichtig ist.
SRF: Weshalb jetzt ein Solidaritätstag, wo die Waffenruhe noch wacklig ist?
Fabian Emmenegger: Auch wenn die Waffenruhe jetzt noch wacklig ist, kommt aufgrund teils geöffneter Grenzen mehr Hilfe in den Gazastreifen. Und jetzt haben wir auch zum ersten Mal die Möglichkeit, diese humanitäre Hilfe über unsere Schweizer Partnerorganisationen auszubauen.
Wofür sollen die Spenden eingesetzt werden?
Die Situation für die Bevölkerung ist nach wie vor sehr dramatisch. Es herrscht eine Hungersnot. Teilweise sterben Menschen an Hunger. Deshalb konzentrieren wir uns wirklich auf das Dringendste: Zugang zu Wasser, Nahrung, Medikamenten und Notunterkünften.
Man hat keinen Schutz, auch gegen die Kälte nicht.
Es geht auch darum, dass der Winter kommt, dass es sehr kalt wird. Fast alle Häuser sind beschädigt oder zerstört. Man hat keinen Schutz, auch gegen die Kälte nicht. Da braucht es jetzt dringend Hilfe, wie beispielsweise Zelte. Wenn die Waffenruhe länger hält, dann können wir auch grundlegende Infrastruktur unterstützen; die Wasserversorgung oder das Gesundheitssystem. Aber jetzt geht es wirklich darum, auf das Dringendste zu schauen.
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Bild 1 von 4. Ein palästinensisches Mädchen trägt Wasserbehälter in einem Zeltquartier in Gaza-Stadt. (20.10.2025). Bildquelle: REUTERS/Ebrahim Hajjaj.
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Bild 2 von 4. Ein Mann läuft in Gaza-Stadt über die Trümmer des Hauses seiner Familie. (20.10.2025) . Bildquelle: REUTERS/Ebrahim Hajjaj.
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Bild 3 von 4. Eine Frau transportiert eine Kiste mit Lebensmitteln des Welternährungsprogramms im südlichen Teil des Gazastreifens. (20.10.2025). Bildquelle: Keystone/AP Photo/Jehad Alshrafi.
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Bild 4 von 4. Eine Kreuzung in Gaza-Stadt, deren Umgebung durch Bombardierungen zerstört wurde. (15.10.2025). Bildquelle: Keystone/AP Photo.
Wie stellt die Glückskette sicher, dass keine Mittel oder Hilfsgüter an Hamas-Mitglieder oder -Organisationen fliessen?
Das ist natürlich auch für uns ein sehr wichtiger Punkt. Die Glückskette hat viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Schweizer Partnerorganisationen. Wir haben mehrere Wege, wie wir das sicherstellen können: Zum einen arbeiten wir wirklich nur mit unseren Schweizer Partnerorganisationen zusammen. Das sind Organisationen, die bei der Glückskette akkreditiert werden müssen. Wir kontrollieren sie auf gewisse Standards. Sie arbeiten oft seit Jahren oder Jahrzehnten vor Ort und kennen den Kontext und die Leute.
Wir bleiben nah dran.
Zum anderen geht es auch darum, dass wir die Projekte, die bei uns eingereicht werden, genau kontrollieren. Das machen wir selbst, aber auch Vertreterinnen und Vertretern von Hilfsorganisationen und externe Fachpersonen. Wenn etwas bewilligt wird, dann bleiben wir nah dran. Wir kontrollieren und überprüfen mit Berichten.
Was passiert mit den Spendengeldern, wenn wieder Krieg ausbricht?
Wir beobachten die Situation sehr genau. Und wenn wir etwas gesehen haben in den letzten zwei Jahren, dann, dass die Schweizer Partner vor Ort es trotz schwierigster Bedingungen geschafft haben, Hilfe zu leisten. Sie haben vielleicht Projekte angepasst oder an einem anderen Ort geholfen, aber es gelang ihnen immer, Hilfe zu leisten. Viele Organisationen sind auch vor Ort im Gazastreifen. Das heisst, sie werden weiterhin helfen. Sie haben leider keine Wahl, als weiterzumachen.
Wir haben die Gewissheit, dass unsere Schweizer Partner auch helfen können, wenn die Situation sehr, sehr schwierig ist.
Deswegen sind wir zuversichtlich, dass wir diese Spenden einsetzen können – auch wenn die Situation ändert. Natürlich hoffen wir, dass diese Entwicklung jetzt weiter hält, dass so auch mehr Hilfe in den Gazastreifen kommen kann. Aber: Wir haben die Gewissheit, dass unsere Schweizer Partner auch helfen können, wenn die Situation sehr, sehr schwierig ist.
Das Gespräch führte Marc Allemann.