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Widersprüchliche US-Angaben Wurden die iranischen Atomanlagen wirklich zerstört?

US-Präsident Donald Trump verkündete die vollständige Zerstörung der iranischen Atomanlagen. Seine Entourage ist zurückhaltender.

Um markige Worte war US-Präsident Donald Trump noch nie verlegen. Kaum hatten die amerikanischen Tarnkappenbomber ihre Angriffe auf die iranischen Atomanlagen geflogen, sprach er von einem «spektakulären militärischen Erfolg». Die Ziele seien «komplett zerstört» worden. Am Sonntag kehrten die B2-Bomber zurück in die USA, die Trump-Administration feierte sich selbst.

Wie erfolgreich der Einsatz tatsächlich war, ist inzwischen nicht mehr ganz so klar. Die Spannweite der Äusserungen aus dem politischen und militärischen Establishment ist gross.

Widersprüchliches aus Washington

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth sprach zwar davon, dass Irans nukleare Ambitionen eliminiert worden seien. Mit Blick auf die Uran-Anreichungsanlage Fordo, die tief in den Berg eingegraben ist, drückte er sich aber zurückhaltender aus. «Wir gehen davon aus, dass es uns gelungen ist, die dortigen Kapazitäten zu zerstören.»

Generalstabschef Dan Caine erklärte, die Angriffe hätten «extrem grosse Schäden» hinterlassen. «Die Auswertung wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.» Der oberste Militär der USA widersprach damit indirekt Präsident Trump, der von einer völligen Zerstörung gesprochen hatte.

Fordo
Legende: Die USA hätten der stark gesicherten Uran-Anreicherunganlage Fordo «sehr schweren Schaden» zugefügt, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. Einzelheiten zum genauen Ausmass der Schäden nannte er jedoch nicht. Keystone/EPA/Maxar Technologies

US-Vizepräsident J.D. Vance sagte im Interview mit NBC News: «Wir haben das iranische Nuklearprogramm zerstört», fügte aber im gleichen Satz an: «Wir haben es substanziell zurückgeworfen.»

Trumps Vize relativierte noch weiter: «Ich bin sehr zuversichtlich, dass Irans Pläne, eine Atombombe zu bauen, um Jahre zurückgeworfen wurden. Und das war das Ziel dieser Attacke.»

Laut Fabian Hoffmann, Sicherheits- und Militärexperte an der Universität Oslo, ist es ohne direkten Zugang zu den unterirdischen Anlagen schwierig, das Ausmass der Schäden zu bemessen. «Wir können aber davon ausgehen, dass die Zerstörung massiv war.»

IAEA-Chef: «Niemand kann unterirdische Schäden an Fordo bewerten»

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Nach dem US-Angriff auf Atomanlagen im Iran hat der Chef der Internationalen Atomenergieagentur IAEA, Rafael Grossi, dem UNO-Sicherheitsrat den seiner Behörde bekannten Zustand der drei attackierten Anlagen beschrieben. 

An der gut befestigten unterirdische Uran-Anreicherungslage Fordo seien Krater zu sehen, sagte Grossi bei einer Dringlichkeitssitzung des Gremiums in New York. «Zu diesem Zeitpunkt ist niemand – auch nicht die IAEA – in der Lage, unterirdische Schäden an Fordo zu bewerten.»

In Isfahan seien anscheinend Tunneleingänge, die zur Lagerung von angereichertem Material benutzt worden seien, getroffen worden. In Natans sei eine Kraftstoffanreicherungsanlage getroffen worden. Der Iran habe die IAEA darüber informiert, dass es ausserhalb der drei Anlagen keinerlei Strahlungsanstieg gegeben habe. 

Die Zentrifugen, mit denen in den Anlagen Uran angereichert wird, sind laut Hoffmann hochsensibel. Die Erschütterungen durch die über elf Tonnen schweren GBU-57-Bomben würden in einer Gebirgsanlage wie Fordo ein kleines Erdbeben auslösen. «Allein die Schockwellen reichen aus, um diese Zentrifugen auszuschalten. Irans Fähigkeiten, Uran anzureichern – und vor allem auch schnell anzureichern – wurden mit Sicherheit um Jahre zurückgeworfen.»

Angereichertes Uran evakuiert?

Offen ist allerdings, ob es der Iran geschafft hat, angereichertes Uran rechtzeitig zu evakuieren. US-Aussenminister Marco Rubio erklärte, der Iran horte dieses mutmasslich in der Anlage Isfahan. Das Material sei der «Schlüssel» im laufenden Konflikt, der Iran müsse das Uran aus dem Boden holen und übergeben.

IAIA-Generaldirektor  Rafael Mariano Grossi.
Legende: Laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) besass der Iran vor den israelischen und amerikanischen Angriffen rund 400 Kilogramm zu 60 Prozent angereichertes Uran. Bild: IAEA-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi. Keystone/EPA/Max Slovencik

Der Iran seinerseits behauptet, angereichertes Uran bereits in Sicherheit gebracht zu haben. Eine solche Evakuation hält Hoffmann für durchaus realistisch. Die israelischen und amerikanischen Geheimdienste seien sich der Gefahr aber bewusst und hätten sicherlich versucht, allfällige Bewegungen genau nachzuverfolgen.

Satellitenbildern vom 19. Juni und 20. Juni, Anreicherungsanlage Fordo.
Legende: Auf Satellitenbildern vom 19. Juni und 20. Juni ist zu erkennen, wie Lastwagen vor dem Eingang der Anlage in Fordo warten. Ob und womit sie beladen wurden, ist unklar. Keystone/EPA/Maxar Technologies

Der Nuklear-Experte schliesst: Der Iran verfügt über Know-how, das wieder reaktiviert werden kann. Nicht auszuschliessen sei, dass er nun weiter versuche, sein Atomprogramm im Geheimen voranzutreiben. «Hier ist die grosse Frage, ob der Iran über weitere Untergrundanlangen verfügt, in denen er die nötige Infrastruktur installieren könnte.»

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SRF 4 News, 23.06.2025, 7:20 Uhr ; 

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