Abu Al Ata war ein Militärchef der militanten Palästinenserorganisation islamischer Dschihad. Bei einem gezielten Überraschungsangriff der israelischen Luftwaffe wurde er am Dienstag in Gaza getötet. Inzwischen hat Israel weitere Luftschläge im Gazastreifen ausgeführt und dabei mindestens zehn Palästinenser getötet. Die Palästinenser ihrerseits feuern Dutzende Raketen auf Israel ab. Für SRF-Korrespondentin Susanne Brunner könnte der Konflikt erneute Neuwahlen begünstigen.
SRF News: Wir kennen die Palästinenserorganisation Hamas, der islamische Dschihad ist weniger bekannt. Wofür steht dieser?
Susanne Brunner: Das Hauptziel der Organisation ist die Zerstörung Israels. Sie lehnt jegliche Friedensgespräche mit Israel ab, steht dem Iran sehr nahe und wirbt Jugendliche für Selbstmordattentate an.
Im schlimmsten Fall drohen Israel zum dritten Mal innerhalb von zwölf Monaten Neuwahlen.
Wie gehen die Menschen in Israel und im Gazastreifen mit dieser jüngsten Eskalation um?
Solche Eskalationen sind für die Bevölkerung beidseits der Grenze unhaltbar: In Israel, weil die israelische Raketenabwehr nicht alle Raketen aus Gaza abfängt und diese daher immer wieder Menschen töten, verletzen und traumatisieren.
In Gaza kann die Bevölkerung nicht davonrennen, man ist eingesperrt. Auch wenn die israelischen Streitkräfte beteuern, Terrorziele zu beschiessen; der Streifen ist so dicht besiedelt, dass jeweils auch Zivilisten umkommen und diese sind genauso traumatisiert wie die Menschen im Süden Israel.
Steht man vor einem neuen Krieg in der Region?
Weder Israel noch die Hamas, die in Gaza regiert, haben Interesse an einem neuen Krieg. Die Frage ist aber, ob das den islamischen Dschihad überhaupt interessiert. Wenn es stimmt, dass die Hamas keine Kontrolle über diese Extremisten hat, ist die Gefahr einer weiteren Eskalation hoch.
Gibt es einen Grund, warum Israel gerade jetzt gegen den Islamischen Dschihad vorgeht?
Die Extremistenorganisation hat in letzter Zeit vermehrt und immer häufiger Raketen auf Israel abgefeuert und scheint das ohne Absprache mit der Hamas zu tun. Hinter diesen Angriffen habe Abu Al Ata gesteckt und deshalb sei er getötet worden, wie einige israelische Medien berichten.
Andere Medien weisen auf die schwierige innenpolitische Situation Israels hin. Premierminister Benjamin Netanjahu kämpft um sein politisches Überleben und da kommt ihm der Tod eines führenden Terroristen natürlich gelegen.
Ex-Militärchef Benny Ganz soll aktuell eine neue israelische Regierung formen. Was bedeutet der aktuelle Konflikt für die Regierungsbildung in Israel?
Der Konflikt hat Benny Ganz in eine ungemütliche Lage gebracht. Dass er überhaupt mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, liegt daran, dass ihn die israelisch-arabischen Parteien mehrheitlich unterstützen. Nun haben genau diese Parteien aber die israelischen Streitkräfte für ihre gezielte Ermordung des Kommandanten des Islamischen Dschihad verurteilt. Das ist Wasser auf die Mühlen Netanjahus, der immer gesagt hatte, eine Regierung, in der die arabischen Parteien Einfluss nehmen, sei für Israel gefährlich. Ganz kann eine Zusammenarbeit mit diesen Parteien so definitiv vergessen. Es bleibt somit nur die Koalition mit Netanjahus Likud-Partei, die Ganz aber nicht will, solange Netanjahu vorne mitmischt. Im schlimmsten Fall drohen Israel zum dritten Mal innerhalb von zwölf Monaten Neuwahlen.
Das Gespräch führte Simon Leu.