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Neue Angriffe im Gaza-Streifen «Netanjahu kommt der Tod eines führenden Terroristen gelegen»

Abu Al Ata war ein Militärchef der militanten Palästinenserorganisation islamischer Dschihad. Bei einem gezielten Überraschungsangriff der israelischen Luftwaffe wurde er am Dienstag in Gaza getötet. Inzwischen hat Israel weitere Luftschläge im Gazastreifen ausgeführt und dabei mindestens zehn Palästinenser getötet. Die Palästinenser ihrerseits feuern Dutzende Raketen auf Israel ab. Für SRF-Korrespondentin Susanne Brunner könnte der Konflikt erneute Neuwahlen begünstigen.

Susanne Brunner

Leiterin Auslandredaktion

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Susanne Brunner war für SRF zwischen 2018 und 2022 als Korrespondentin im Nahen Osten tätig. Sie wuchs in Kanada, Schottland, Deutschland und in der Schweiz auf. In Ottawa studierte sie Journalismus. Bei Radio SRF war sie zuerst Redaktorin und Moderatorin bei SRF 3. Dann ging sie als Korrespondentin nach San Francisco und war nach ihrer Rückkehr Korrespondentin in der Westschweiz. Sie moderierte auch das «Tagesgespräch» von Radio SRF 1. Seit September 2022 ist sie Leiterin der Auslandredaktion von Radio SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Susanne Brunner und Informationen zu ihrer Person.

SRF News: Wir kennen die Palästinenserorganisation Hamas, der islamische Dschihad ist weniger bekannt. Wofür steht dieser?

Susanne Brunner: Das Hauptziel der Organisation ist die Zerstörung Israels. Sie lehnt jegliche Friedensgespräche mit Israel ab, steht dem Iran sehr nahe und wirbt Jugendliche für Selbstmordattentate an.

Im schlimmsten Fall drohen Israel zum dritten Mal innerhalb von zwölf Monaten Neuwahlen.

Wie gehen die Menschen in Israel und im Gazastreifen mit dieser jüngsten Eskalation um?

Solche Eskalationen sind für die Bevölkerung beidseits der Grenze unhaltbar: In Israel, weil die israelische Raketenabwehr nicht alle Raketen aus Gaza abfängt und diese daher immer wieder Menschen töten, verletzen und traumatisieren.

Zahl toter Palästinenser steigt auf 18

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Legende: Reuters

Der Konflikt zwischen Israel und der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad im Gazastreifen droht sich weiter zu verschärfen. Bei israelischen Luftangriffen im Gazastreifen auf Ziele der Extremistengruppe sind nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums am Mittwoch insgesamt acht Menschen getötet worden.

Nach palästinensischen Quellen handelte es sich bei den Toten um drei Zivilisten und fünf Mitglieder des Islamischen Dschihad. Damit steigt die Zahl der toten Palästinenser seit Beginn der neuen Gewaltwelle auf 18.

Die meisten wurden nach israelischen Angaben bei dem Versuch getötet, Raketen auf Israel abzufeuern. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden zudem mehr als 50 weitere Palästinenser verletzt. In Israel erlitten nach Angaben des Rettungsdienstes rund 50 Menschen Verletzungen.

In Gaza kann die Bevölkerung nicht davonrennen, man ist eingesperrt. Auch wenn die israelischen Streitkräfte beteuern, Terrorziele zu beschiessen; der Streifen ist so dicht besiedelt, dass jeweils auch Zivilisten umkommen und diese sind genauso traumatisiert wie die Menschen im Süden Israel.

Steht man vor einem neuen Krieg in der Region?

Weder Israel noch die Hamas, die in Gaza regiert, haben Interesse an einem neuen Krieg. Die Frage ist aber, ob das den islamischen Dschihad überhaupt interessiert. Wenn es stimmt, dass die Hamas keine Kontrolle über diese Extremisten hat, ist die Gefahr einer weiteren Eskalation hoch.

Gibt es einen Grund, warum Israel gerade jetzt gegen den Islamischen Dschihad vorgeht?

Die Extremistenorganisation hat in letzter Zeit vermehrt und immer häufiger Raketen auf Israel abgefeuert und scheint das ohne Absprache mit der Hamas zu tun. Hinter diesen Angriffen habe Abu Al Ata gesteckt und deshalb sei er getötet worden, wie einige israelische Medien berichten.

«Wir greifen weiter den Islamischen Dschihad an»

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Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte: «Wir greifen weiter den Islamischen Dschihad an, nachdem wir den führenden Dschihad-Kommandaten im Gazastreifen unschädlich gemacht haben.» Der Extremistengruppe sei klar, «dass wir sie weiter gnadenlos angreifen werden». Er schwor die Bürger auf eine längere Auseinandersetzung ein. «Wir wollen keine Eskalation, aber wir reagieren hart auf jeden Angriff.»

Andere Medien weisen auf die schwierige innenpolitische Situation Israels hin. Premierminister Benjamin Netanjahu kämpft um sein politisches Überleben und da kommt ihm der Tod eines führenden Terroristen natürlich gelegen.

Ex-Militärchef Benny Ganz soll aktuell eine neue israelische Regierung formen. Was bedeutet der aktuelle Konflikt für die Regierungsbildung in Israel?

Der Konflikt hat Benny Ganz in eine ungemütliche Lage gebracht. Dass er überhaupt mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, liegt daran, dass ihn die israelisch-arabischen Parteien mehrheitlich unterstützen. Nun haben genau diese Parteien aber die israelischen Streitkräfte für ihre gezielte Ermordung des Kommandanten des Islamischen Dschihad verurteilt. Das ist Wasser auf die Mühlen Netanjahus, der immer gesagt hatte, eine Regierung, in der die arabischen Parteien Einfluss nehmen, sei für Israel gefährlich. Ganz kann eine Zusammenarbeit mit diesen Parteien so definitiv vergessen. Es bleibt somit nur die Koalition mit Netanjahus Likud-Partei, die Ganz aber nicht will, solange Netanjahu vorne mitmischt. Im schlimmsten Fall drohen Israel zum dritten Mal innerhalb von zwölf Monaten Neuwahlen.

Das Gespräch führte Simon Leu.

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