Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von der CDU soll EU-Kommissionspräsidentin werden. Angela Merkel hatte sich bei dieser Abstimmung aus innenpolitischen Gründen der Stimme enthalten, weil der Koalitionspartner, die SPD, mit dieser Nomination nicht einverstanden ist. Für Peter Voegeli hat die Nomination von der Leyens nicht nur politische Gründe.
SRF News: Was hat die SPD gegen die Wahl von der Leyens?
Peter Voegeli: Dass die SPD die Zustimmung verweigert zeigt, wie verärgert sie ist. Sie hoffte, dass der Kandidat der Sozialisten, Frans Timmermans, doch noch den Posten erhalten würde. Zusätzlich sind die Sozialdemokraten verärgert darüber, dass nun plötzlich eine neue Kandidatin quasi aus dem Hut gezaubert wurde, die nicht als Spitzenkandidatin vorgeschlagen war.
Der Vorwurf hier lautet Hinterzimmerpolitik. Der frühere EU-Parlamentspräsident und SPD-Abgeordnete Martin Schulz kritisierte, dass ausgerechnet die schwächste Ministerin der Bundesregierung eines der wichtigsten Ämter der EU erhalten solle.
Es sind also auch inhaltliche Vorbehalte, die die SPD gegenüber Ursula von der Leyen hat?
Von der Leyen hat Plus- und Minuspunkte. Ein Pluspunkt ist ihre Weltläufigkeit. Sie ist in Brüssel zur Welt gekommen und teilweise dort zur Schule gegangen. Ihr Vater war ein hoher EU-Beamter. Für sie spricht auch eine lange Erfahrung in Exekutivämtern als Ministerin. Sie kann auf Augenhöhe mit Regierungschefs verhandeln, hat Dossierkenntnis in Aussen- und Sicherheitspolitik. Ebenfalls ist sie ehrgeizig.
Merkel hatte bei Personalentscheidungen nicht immer eine gute Hand.
Gegen sie spricht, dass sie das schwierige Verteidigungsministerium nicht auf Vordermann hat bringen können. Noch immer ist das Beschaffungswesen undurchsichtig. Es gibt berechtigte Kritik, dass 300 Millionen an externe Berater gezahlt wurden, obwohl das nicht korrekt war. Es gab auch Probleme, als Wehrmachts-Devotionalien bei der Bundeswehr auftauchten, als Offizier Franco A. möglicherweise einen Terroranschlag vorbereitete und sich als Asylbewerber ausgab.
Von der Leyen erklärte daraufhin, das sei ein Haltungsproblem der Bundeswehr, obwohl sie die oberste Chefin dieser Bundeswehr ist. Ihr Stern in Berlin ist am Sinken und das Lob, sie sei Kanzlerin in Reserve, ist längst passé.
Zunächst wollte Angela Merkel am Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, festhalten. Sie ist auch mit dem Kompromisskandidaten Frans Timmermans gescheitert. Ist die jetzige Wahl von der Leyens ein Erfolg oder Misserfolg für Merkel?
Man sieht, dass ihre Autorität schwindet. Es gab einen offensichtlichen Konflikt mit Emmanuel Macron, der Weber verhinderte. Der deutsch- französische Motor, der so wichtig ist für die EU, hat nicht funktioniert. Deutschland kann seine Führungsrolle mit diesem wirtschaftlichen Gewicht nicht richtig wahrnehmen.
Merkel hatte bei Personalentscheidungen nicht immer eine gute Hand. Ich denke da an den Bundespräsidenten Horst Köhler, den sie gegen Wolfgang Schäuble durchgesetzt hatte, weil sie Wolfgang Schäuble als unbequemen Konkurrenten verhindern wollte. Köhler ist anschliessend überstürzt und überraschend zurückgetreten. Dasselbe Problem war mit Bundespräsident Christian Wulff.
Das Gespräch führte Roger Aebli.