Eines vorweg: Die Wahl von Brigitte Bierlein zur Bundeskanzlerin Österreichs ist eine handfeste Überraschung. Trotzdem: Dass sie als erste Frau ins österreichische Kanzleramt einzieht – wenn auch nur als Übergangslösung – hat durchaus seine Logik.
Für Präsident Alexander Van der Bellen bestand die Krux darin, eine Person zu finden, die im Parlament von Links und Rechts akzeptiert wird. Etliche «Favoriten» schafften diese Klippe nicht. Brigitte Bierlein dagegen schon.
Spitzenbeamte oder Richter
Die 69-jährige Präsidentin des österreichischen Verfassungsgerichtshofes steht politisch rechts der Mitte. Sie sprach sich etwa resolut gegen Frauenquoten aus. Das gefällt der konservativen Parlamentsmehrheit. Aber auch die Sozialdemokraten waren mit ihrer Ernennung einverstanden. Einerseits, weil Bierlein als hochkompetent gilt, andererseits, weil die Linke nicht die erste Frau im Kanzleramt verhindern kann und will.
Brigitte Bierlein wird jetzt möglichst rasch – wahrscheinlich bis Anfang nächster Woche – ihre Übergangsregierung auf die Beine stellen. Ihre Minister dürften vor allem amtierende und pensionierte Spitzenbeamte oder Richter sein.
Lebhafte Tage in Wien
Mit diesem Team wird sie die Regierungsgeschäfte mit möglichst wenig Nebengeräuschen weiterführen. Und nach den Wahlen im September wieder einem neu gewählten Kanzler und einer neu gewählten Regierung weichen.
Das Parlament arbeitet derweil weiter. Die Opposition will in den nächsten Tagen zahlreiche Beschlüsse der gestürzten Regierung von Sebastian Kurz rückgängig machen. So will sie etwa das Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten doch noch einführen und den bereits beschlossenen 12-Stunden-Arbeitstag (60-Stunden-Woche) wieder abschaffen. Es könnten lebhafte Tage werden im Nationalrat in Wien.