«Wir kämpfen hier ums Überleben!», so der schottische Fischer Jamie McMillan auf Twitter. Und weiter: «Premierminister, wenn Sie das Problem bis nächste Woche nicht gelöst haben, dann kommen wir nach Westminster und werfen Ihnen die verdorbenen Fische vor die Haustüre.» Jamies Drohung haben die Fischer heute schon mal teilweise eingelöst, sie sind mit Lastwagen vor das Parlament in London gefahren, um zu protestieren.
Eine Million Pfund Verlust pro Tag
Das Problem ist, viele dieser schottischen Fischer holen Krustentiere aus dem Meer, wie beispielsweise Hummer. Der Hauptabsatzmarkt dafür sind europäische Märkte auf dem Kontinent, vor allem Frankreich und Spanien. Der Transport dieser Produkte vom schottischen Fischerdörfchen bis zu den Märkten in Paris oder Barcelona dauerte vorher rund 24 Stunden. Doch seit das Brexit-Abkommen vor zwei Wochen in Kraft getreten ist, dauert es zu lange.
Letzte Woche waren die Produkte fünf Tage unterwegs. Als sie ankamen, waren sie verdorben.
Jamie McMillan erklärt: «Letzte Woche waren die Produkte fünf Tage unterwegs. Als sie ankamen, waren sie verdorben. Deshalb verlieren wir zurzeit Zehntausende Pfund pro Woche. So kann's nicht weiter gehen.» Der Branchenverband der schottischen Fischer schätzt, dass der Verlust insgesamt eine Million Pfund pro Tag beträgt.
Fische verderben im Lastwagen
Grund für die Verzögerungen: Produkte wie Lebensmittel, also auch Fisch, brauchen neue Deklarationspapiere an der Grenze zur EU. Das führt zu Staus. Denn die Überprüfung braucht mehr Zeit. Kommt hinzu: Führt ein Transporteur von mehreren Fischern Ware mit und fehlt von einem das korrekte Dokument, steckt der Lastwagen mit der Ladung aller Fischer fest. Alles verrottet, bevor es den Kontinent je erreicht hat.
Ich bin komplett vom europäischen Markt abhängig, 100 Prozent meiner Hummer werden in Frankreich und Spanien verkauft. Wenn das so weiter geht, muss ich mir einen neuen Job suchen.
Der Fischer Neil MacQueen ist deshalb seit zwei Wochen gar nicht mehr raus gefahren. Nach dem ersten verdorbenen Transport war klar, dass es sich nicht mehr lohnt: «Ich bin komplett vom europäischen Markt abhängig, 100 Prozent meiner Hummer werden in Frankreich und Spanien verkauft. Wenn das so weitergeht, muss ich mir einen neuen Job suchen.» Seit dreissig Jahren fährt Neil aufs Meer raus, er beschäftigt drei Mitarbeiter und ernährt mit dem Fischen seine Familie. In den abgelegenen Regionen Schottlands leben direkt oder indirekt viele Dörfer von der Fischindustrie.
In Westminster wird gescherzt
Für Westminster sind die schottischen Dörfer weit weg. Die Covid-Krise bestimmt die politische Agenda in London. Die Regierung hat zwar finanzielle Entschädigung versprochen, doch mitunter fehlt es an Empathie. Das Kabinettsmitglied Jacob Rees-Mogg liess sich kürzlich zu einem Scherz hinreissen: «Wir werden das Problem angehen. Aber der Punkt ist, die Fische sind jetzt endlich wieder britisch und deshalb bessere und glücklichere Fische.»
Ein Hohn für die schottischen Fischer. Sie fürchten, dass allfällige Hilfe zu spät kommen wird. Der Fischer Jamie beendet einen seiner Tweets mit den Worten: «Es ist ein Desaster. Danke, Brexit!»