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Neuer Präsident in Nigeria Der «Pate von Lagos» bedeutet für Nigeria wenig Gutes

Bola Ahmed Tinubu wird auch der Pate von Lagos genannt oder Jagaban – «Anführer» auf Yoruba, Tinubus Muttersprache und eine der drei grössten Volksgruppen in Nigeria.

Bisher hatte der schwerreiche Politiker sein Geld und seinen Einfluss stets dafür benutzt, um die von ihm bevorzugten Kandidaten in die wichtigen politischen Positionen zu hieven. So zum Beispiel den bisherigen Präsidenten Muhammadu Buhari.

Doch der Mann, der immerzu mit dem traditionellen Yoruba-Hut auftritt, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die Präsidentschaft auch sein eigenes Ziel ist. Ihm wird nachgesagt, dass er die rund drei Jahrzehnte seiner Politkarriere dafür nutzte, das Endziel strategisch zu planen. Im Wahlkampf machte Tinubu denn auch klar, dass es bei der Präsidentschaft in erster Linie um ihn geht: «Emi Lokan» sagte er auf Yoruba – «Ich bin dran».

Ein neuer «alter Mann» und offene Fragen

Heute wurde er von der Wahlkommission zum Sieger erklärt und ist dran im Präsidentenamt. Ob er das auch kann, fragen sich viele Menschen in Nigeria. Zwar war er bis 2007 acht Jahre lang Gouverneur von Nigerias grösster Stadt Lagos. Doch sowohl in dieser Funktion als auch in seinem vorherigen Leben in der Privatwirtschaft wurde er mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, unter anderem im Zusammenhang mit Drogenhandel.

Der neue Präsident steht darum in den Augen vieler Nigerianerinnen und Nigerianer sinnbildlich für die grassierende Korruption in Nigerias Politelite. Ebenfalls steht Tinubu sinnbildlich für den «alten Mann».

Sein Vorgänger und Noch-Präsident Muhammadu Buhari war in seiner Amtszeit oft im Spital im Ausland. Viele Nigerianer befürchten eine Wiederholung mit dem neuen Präsidenten, der ebenfalls bereits 70 Jahre alt ist und im Wahlkampf nicht gerade durch Vitalität überzeugt hat.

Hoffnungen auf Neuanfang verflogen

Tinubus Wahlsieg wird zudem von Manipulationsvorwürfen überschattet. Die Opposition fordert, dass die Wahl annulliert wird. Das dürfte nicht geschehen. Doch das erstmals eingesetzte elektronische Wahlsystem hat versagt und das Vertrauen der nigerianischen Wählerschaft in freie und faire Wahlen erneut erschüttert.

Nigeria befindet sich in einer miserablen Situation, wirtschaftlich und was die Sicherheitslage im Land betrifft. Viele, gerade junge Wähler hatten sich deshalb von den Wahlen einen Neustart und einen Wandel erhofft. Dieser wird mit Bola Ahmed Tinubu in Afrikas bevölkerungsreichstem Land und grösster Volkswirtschaft wohl kaum eintreffen.

Anna Lemmenmeier

Auslandredaktorin

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Anna Lemmenmeier ist Auslandredaktorin zuständig für Mittelamerika, Mexiko und die Karibik. Von 2017-2024 war sie Afrika-Korrespondentin von Radio SRF und lebte in Nairobi. Davor war sie Mitglied der Wirtschaftsredaktion. Sie hat internationale Beziehungen, Geschichte und Völkerrecht an den Universitäten von Bern, Genf und Ghana studiert.

Echo der Zeit, 01.03.2023, 18:00 Uhr

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