Darum geht es: Ab 1. Juli werden in der Türkei die Corona-Bekämpfungsmassnahmen weiter gelockert. Die Ausgangsbeschränkungen, die abends und sonntags gelten, werden dann vollständig aufgehoben.
Sperrstunde für Musik ab 24 Uhr: Aufgrund der Corona-Massnahmen war es bis anhin verboten, nach 22 Uhr Musik zu machen. Die Sperrstunde werde per 1. Juli aber nicht aufgehoben, sondern auf 24 Uhr verschoben, so Erdogan. «Nichts für ungut, niemand hat das Recht, jemanden nachts zu stören», sagte er. Ab 1. Juli ist es in der Türkei also verboten, nach Mitternacht Musik zu machen oder zu spielen.
Erdogans Motivation bleibt unklar: «Regierungskritiker in der Türkei mutmassen, dass sowohl das Alkoholverbot als auch das Musikverbot ab 24 Uhr islamistisch motiviert sind», sagt Thomas Seibert, freier Journalist in Istanbul. Die Regierung selbst sagt dagegen, das Verbot habe nichts mit Islam zu tun, man schliesse sich nur der international üblichen Sperrstunde an.
Diese Auswirkungen hat das Verbot auf den Tourismus: «Für Viele, die in der Türkei in die Ferien gehen, gehören Discos und Tanzen bis spät in die Nacht einfach dazu», hält der Journalist fest. «Wenn das jetzt verboten wird und die Touristen ins Bett geschickt werden, dann dient das nicht dem Ruf der Türkei als attraktives Urlaubsland.»
Das sagen die Betroffenen: Vor allem Musiker, Kneipenbetreiber und Nachtclubbesitzer störten sich an dem neuen Verbot, so Seibert. Sie haben ein schweres Jahr hinter sich, mit den coronabedingten Schliessungen. Eigentlich ging die Branche davon aus, dass sie nach den Lockerungen wieder arbeiten könnte. «Es breitet sich neue Verzweiflung aus», stellt Seibert fest. Es gebe Schätzungen, dass sich über 100 Musikerinnen und Musiker bereits das Leben genommen haben, weil sie keinen Ausweg mehr sahen.
Schlecht für die Staatskasse: Das Ausgehviertel in Istanbul zum Beispiel generiere viele Steuereinnahmen, sagt Seibert. Das Musikverbot ab 24 Uhr sei deshalb ein schwerer Schlag für die Staatskasse. «Insofern wird hier gerätselt, was den Präsidenten geritten hat.»