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Notstand wegen Corona-Virus «Derzeit gibt es rund 10'000 Krankheitsfälle und rund 200 Tote»

Die Ausrufung des internationalen Gesundheitsnotstands durch die WHO sei angemessen, sagt der Biophysiker Richard Neher von der Uni Basel. Damit werde es möglich, Länder mit weniger gut ausgebauten Gesundheitssystemen bei einem allfälligen Ausbruch des neuartigen Corona-Virus zu unterstützen.

Richard Neher

Biophysiker

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Der Biophysiker Richard Neher erforscht an der Universität Basel die Entwicklung von Viren und Bakterien. Er ist Teil der Corona-Taskforce des Bundes.

SRF News: Nach Tagen des Zögerns hat die WHO wegen des neuartigen Corona-Virus nun doch den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Überzeugt Sie die Haltung der WHO?

Richar Neher: Ja. Die WHO war lange vorsichtig, den Notstand auszurufen. Dieser ist ein Instrument, das nur bei aussergewöhnlichen Situationen eingesetzt wird. Nachdem in den letzten Tagen wiederholt Übertragungen ausserhalb Chinas bestätigt wurden, waren jetzt alle Kriterien erfüllt, um den Schritt zu machen.

Laut vielen Experten befinden wir uns immer noch in einem Graubereich. Wie klar ist die Situation zurzeit?

Es gibt kein Schwarz oder Weiss für einen aktuellen Zustand. Die rasante Ausbreitung in China, gekoppelt mit den hin und wieder sehr schweren Krankheitsverläufen und den Übertragungen im Ausland hat nun zu diesem Entscheid geführt.

Kurzfristig ändert sich durch die Ausrufung des Notstands durch die WHO nicht viel.

Was ändert sich durch den Entscheid der WHO bei der Bekämpfung des Virus?

Kurzfristig wird sich nicht viel ändern. China und andere Länder unternehmen schon jetzt drastische Anstrengungen, um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Nach der Ausrufung des Notstands kann die WHO jetzt falls nötig Ressourcen mobilisieren, um Länder mit weniger robusten Gesundheitsinfrastrukturen zu unterstützen.

WHO kann ärmere Länder unterstützen

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Manche Länder Asiens oder Afrikas seien, was die Gesundheitsinfrastrukturen angeht, nicht so gut aufgestellt, stellt Richard Neher fest. Anders als in China gebe es dort etwa grosse Defizite bei der Diagnostik, also der genauen Analyse von Infektionen. «Wenn wir erfahren wollen, wie sich das Virus in einem solchen Land ausbreitet, muss das Fachwissen aus dem Ausland dorthin kommen», sagt der Biophysiker. Das könne die WHO jetzt leisten, nachdem sie den internationalen Notstand ausgerufen hat.

Hat China mit den ergriffenen Massnahmen bisher alles richtig gemacht?

Ich war beeindruckt von der Arbeit der chinesischen Behörden und Wissenschafter, die ihre Erkenntnisse sehr schnell und transparent mit der internationalen Gemeinschaft geteilt haben. Auch lokale Gesundheitsbehörden informierten sehr rasch über die Entwicklungen vor Ort: welche Art von Viren zirkulieren, welche Art von Patienten sich besonders häufig anstecken oder wie eine Infektion verläuft.

Hat die Ausrufung des internationalen Gesundheitsnotstands Konsequenzen für Sie als Wissenschafter?

Kurzfristig gehe ich nicht davon aus. Wir sind sowieso alle bereits auf Habachtstellung. Es werden grosse Anstrengungen unternommen, alle Behörden und relevanten Organisationen bereiten sich auf alle Eventualitäten vor. Sollte das neuartige Corona-Virus in einem Gebiet ausbrechen, das über weniger robuste Gesundheitsinfrastrukturen verfügt, dann könnte die WHO mit ihren Mitteln und Erfahrungen viel zum Management einer möglichen lokalen Krise beitragen.

Wir müssen jetzt herausfinden, wie viele gefährliche Krankheitsverläufe das Virus tatsächlich verursacht.

Was ist zentral für den weiteren Verlauf in Bezug auf das Corona-Virus?

Zunächst müssen wir herausfinden, wie viele gefährliche Krankheitsverläufe das Virus tatsächlich verursacht. Derzeit gibt es offiziell rund 10'000 Krankheitsfälle und rund 200 Tote. Aus diesen Zahlen lässt sich eine Sterblichkeit von 2 Prozent ableiten. Wir gehen allerdings davon aus, dass es eine grosse Dunkelziffer von sehr milde verlaufenden Infektionen gibt. In diesem Fall wäre die Sterblichkeit viel kleiner. Deshalb brauchen wir jetzt robustere Zahlen, um die möglichen Folgen des Ausbruchs besser abschätzen zu können.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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