«Das neue Organ-Spende-Register – ich stehe drin», sagte die junge Frau mit den roten Boxhandschuhen im Sportstudio. «Ich auch», sagt der grauhaarige ältere Mann auf seinem Spaziergang durch die Dünen. «Und wir auch», bemerkt das türkische Ehepaar im Nähatelier.
Mit solchen und ähnlichen Werbespots macht die niederländische Regierung die Bevölkerung auf das neue Organspendegesetz aufmerksam, das am Mittwoch in Kraft tritt.
Spendenregister lässt drei Möglichkeiten zu
Wie in den meisten EU-Ländern gilt seit Mittwoch auch in den Niederlanden die sogenannte Widerspruchslösung, die zurzeit auch in der Schweiz diskutiert wird: Wer sich nicht im nationalen Spenderregister eingetragen hat, wird automatisch zum Organspender respektive zur Organspenderin.
Wer sich aber einträgt – und damit unterscheiden sich die Niederlande von anderen Staaten – hat mehrere Möglichkeiten: Ja, ich möchte meine Organe nach meinem Ableben spenden. Nein, ich möchte nicht. Oder eine weitere Möglichkeit: Ich überlasse die Entscheidung den Angehörigen oder einer Person meiner Wahl.
Acht Millionen Meldungen ausstehend
Mehr als sieben Millionen Menschen haben sich inzwischen eingetragen. Davon wollen 2.5 Millionen keine Organe spenden. Der Rest stimmt zu oder überlässt die Wahl den Angehörigen.
Noch fehlen aber die Angaben von weiteren acht Millionen Menschen. Sie werden im September per Brief aufgefordert, ihre Wahl im Register einzutragen. Tun sie das auch nach einem zweiten Brief nicht, gelten sie als potenzielle Spender.
Bedenken wegen funktioneller Analphabeten
Das geht Diederik van Dijk zu weit. Der 49-Jährige sitzt für die kleine christliche Partei SGP im Senat und ist Präsident der niederländischen Patienten-Vereinigung Pro Life. Zwar preist er die Regierung, dass sie alles tue, um zu verhindern, dass Menschen unbewusst zu Organspendern würden. Aber es gehe ihm um die grosse Gruppe der funktionellen Analphabeten.
Es seien ungefähr anderthalb Millionen Menschen, welche die Sprache nur schlecht beherrschten, weil sie beispielsweise einen tiefen IQ oder einen ausländischen Hintergrund hätten, so der Senator. Diese seien schlicht nicht imstande, die Post der Regierung zu begreifen. Das sei bei diesem sensiblen Thema sehr heikel.
Er sei nicht prinzipiell gegen die Organspende, betont der christliche Politiker. Aber es könne doch nicht sein, dass am Schluss der Staat beschliessen könne, was mit den Organen eines Verstorbenen geschehe, sagt er. «Es handelt sich um eine Organspende, also um ein Geschenk.» Und ein Geschenk müsse immer persönlich sein, freiwillig und ohne Druck von aussen. Sonst sei es kein Geschenk, fügt er an.
Ein Geschenk muss immer persönlich, freiwillig und ohne Druck von aussen sein. Sonst ist es kein Geschenk.
Die Regierung und eine Mehrheit im Parlament haben sich trotzdem für die Widerspruchslösung entschieden. Für sie steht im Vordergrund, Leben zu retten.
Dringend Spenderinnen und Spender gesucht
Jedes Jahr sterben in den Niederlanden ein paar hundert Menschen, weil sie vergeblich auf ein Spenderorgan, auf eine Niere, eine Leber oder ein Herz gewartet haben. Mehr als tausend Patientinnen und Patienten standen Anfang des Jahres auf einer Warteliste für ein Spenderorgan.
Ob sich diese Listen durch das neue Gesetz wie erhofft verkürzen werden, wird sich zeigen müssen. Sicher ist auf jeden Fall, dass Senator van Dijk sehr genau beobachten wird, wie die Regierung mit der Gruppe der funktionellen Analphabeten umgeht.