- In Frankreich hat das Parlament mit der Debatte zur Rentenreform begonnen.
- Dazu liegen über 41'000 Änderungsanträge vor – mit Abstand die höchste Zahl in der laufenden Legislaturperiode.
- Mit der Rentenreform will die Regierung das heutige System mit über 40 Einzelkassen vereinfachen. Dabei gibt es auch einen Leistungsabbau bei einzelnen Berufsgruppen.
Bitte, fangt nicht damit an. Ihr habt noch Stunden, Tage und Nächte, um Euch im Namen der Demokratie anzukeifen.
Die Beratungen über den Gesetzestext gingen energisch los. Schon nach drei Minuten musste Parlamentspräsident Richard Ferrand eingreifen, weil die Abgeordneten der extremen Linken den frischgebackenen Gesundheitsminister Olivier Véran zu übertönen versuchten.
«Bitte, fangt nicht damit an. Ihr habt noch Stunden, Tage und Nächte, um Euch im Namen der Demokratie anzukeifen. Fahren sie weiter, Herr Minister, schauen Sie einfach gerade aus und machen Sie weiter!», intervenierte Ferrand.
Die Fronten in der Debatte um die Rentenreform sind klar. Mehr als die Hälfte der 41'110 Änderungsanträge stammen aus dem linksgerichteten politischen Lager, das die Pläne von Macron durchkreuzen will. Alleine 23'000 Anträge hat die Linkspartei La France Insoumise (Das unbeugsame Frankreich) eingereicht, weitere 13'000 die Kommunisten. Beide Parteien wollen eine Absage der Rentenreform erreichen.
Rund 600 Änderungsanträge kommen aus Macrons eigener Partei La République en Marche (Die Republik in Bewegung, LREM). Macron hatte seine Anhänger zuvor zur «Geschlossenheit» aufgerufen und sie aufgefordert, «die Schlacht um die Rente zu gewinnen». Die Präsidentenpartei und die verbündeten Liberalen haben im Parlament eine absolute Mehrheit.
Zweiwöchige Debatten
Parlamentspräsident Richard Ferrand schlug hundert Stunden Debatte über drei Wochen vor, um die riesige Zahl von Anträgen bewältigen zu können. Die Fraktionsvorsitzenden lehnten dies jedoch ab. Damit bleibt es vorerst bei rund zweiwöchigen Beratungen. Präsident Macron dringt auf den Abschluss der ersten Lesung vor den Kommunalwahlen Mitte März und eine Verabschiedung der Reform vor der Sommerpause.
Die abertausend Änderungsanträge, eine Opposition, die auf Obstruktion macht und nur 14 Tage Zeit bis zur ersten Lesung – für SRF-Korrespondentin Alexandra Gubser scheint es ein «Ding der Unmöglichkeit», das Gesetz bis zu den Sommerferien unter Dach und Fach zu bringen.
Artikel 49.3 als Notnagel
Deshalb steht laut Gubser bereits wieder der Verfassungsartikel 49.3 im Raum, wonach die Regierung ein Gesetz einfach verfügen kann, ohne Parlamentsdebatte. «Das ist legitim, allerdings widerspricht es dem Grundgedanken der Demokratie und dürfte die explosive Lage in Frankreich nicht weiter beruhigen», so Gubser.
Präsident Macron will die mehr als 40 verschiedenen Rentensysteme des Landes vereinheitlichen und das Milliarden-Defizit der Rentenkassen abbauen. Die Gewerkschaften fürchten massive Einbussen für viele Ruheständler.
Streiks und Blockaden
Aus Protest gegen die Rentenreform legten Mitarbeiter der Pariser Metro erneut die Arbeit nieder. Rund die Hälfte der Linien verkehrte am Montag nur in eingeschränktem Takt.
Bis zum 20. Januar hatte ein mehr als sechswöchiger Streik weite Teile des Pariser Nahverkehrs lahmgelegt, auch zahlreiche Zugverbindungen in Frankreich fielen aus. Dann ging den Streikenden das Geld aus. Für Donnerstag sind neue landesweite Proteste angekündigt.