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Politischer Olympia-Boykott Kein Boykott-Getöse – nicht hingehen reicht völlig

Wird die Bevölkerung Hongkong freier sein? Wird das Schicksal der muslimischen Uiguren in China erträglicher? Wird das Los der zeitweise verschwundenen Tennisspielerin Peng Shuai, die einem führenden Apparatschik sexuellen Missbrauch vorwirft, leichter, wenn Joe Biden und andere Staats- und Regierungschefs im Februar nicht auf der Olympia-Ehrentribüne sitzen? Niemand glaubt das ernsthaft.

Boykotte und Boykottdrohungen gibt es, seit es Olympische Spiele gibt. Schon in der Antike drohte einmal der Stadtstaat Athen mit dem Fernbleiben, damals wegen Wettkampfmanipulationen. 1956 in Melbourne, 1976 in Montreal, 1980 in Moskau, 1984 in Los Angeles, 2014 in Sotschi – immer wieder blieben manche Spitzenpolitikerinnen und -politiker demonstrativ abseits.

Keine Farce

Die Veranstalter reagierten jeweils trotzig, wie diesmal China: Es ist uns egal, tönt es dann. Der Boykott sei eine Farce. Sport habe nichts mit Politik zu tun.

Genau das ist offenkundig falsch. Olympische Spiele sind weltumspannende Spektakel, generieren höchste Aufmerksamkeit, besitzen enorme Strahlkraft. Kein Wunder, dass jene, die Milliarden aufwenden, um die Spiele auszurichten, sie nutzen zur Profilierung und Imagepflege.

Die Selbstinszenierung

Wenn nun führende ausländische Staatsvertreter demonstrativ fehlen, stört das die perfekte Inszenierung. Das erklärt die chinesische Empörung. Die Fernbleibenden werden einen Preis für ihr Fehlverhalten bezahlen, tönt es so vage wie drohend aus Peking.

Dabei sind politische Boykotte für den Sportanlass als solchen unerheblich. Den Wettkämpferinnen und Wettkämpfern ist es herzlich egal, ob ihr Staatspräsident da ist. Ohnehin sonnen sich nicht die Sportler im Glanz der Mächtigen, vielmehr hoffen diese, der Glanz der Athleten strahle ab auf sie. Das rund um den Globus vor den Bildschirmen versammelte Publikum interessiert sich für Siege und Medaillen und nicht dafür, wer in der Ehrenloge sitzt.

Sport der Völker

Einst schwiegen wenigstens während Olympischer Spiele die Waffen. Daher der Ruf, sie trügen zur Völkerverständigung bei. Heute ist eher das Gegenteil der Fall. Und es geht, durchaus legitim, allein um «schneller, höher, weiter» – und um Kommerz.

Wenn jetzt hohe chinesische Funktionäre fordern, Olympische Spiele zu entpolitisieren, dann haben sie im Grunde recht – wenngleich sie natürlich nicht meinen, dass Staatsgäste den Mega-Anlass in Peking boykottieren.

Es gibt kein besseres Argument für entpolitisierte Spiele als die Nazi-Spiele 1936 in Berlin, bei denen die Crème de la Crème der internationalen Politik dem Hitler-Regime die Aufwartung machte. Ein widerwärtiges Spektakel.

Absenz aus Respekt

Gewiss: Abwesende Staatschef bewegen die Führung in Peking nicht zum Umdenken in Sachen Demokratie und Menschenrechte. Aber warum sollen Biden & Co den chinesischen Machthabern bei ihrer Selbstprofilierung auch noch applaudieren?

Es geht auch um Respekt gegenüber den Bevölkerung Hongkongs, gegenüber den unterdrückten Uiguren. Und es geht um Selbstachtung. Aber besser kein pompöses Boykott-Getöse – einfach nicht hingehen reicht völlig.

 

Fredy Gsteiger

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

SRF 4, Rendez-vous, 13.12.2021, 12:30 Uhr

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