Datenlecks gehören im digitalen Zeitalter mittlerweile zum Alltag. Kriminelle Organisationen hacken Firmennetzwerke, Behörden und öffentlichen Infrastrukturen. Kundendaten, Patientendossiers oder Wählerverzeichnisse gelangen ins Internet.
Gelegentlich gelangen aber sensible Daten auch durch menschliches Versagen im Netz. In Nordirland sind auf diese Weise irrtümlicherweise sensible Daten von allen Polizisten ins Netz gelangt.
«Wir wissen, wer ihr seid»
Alles begann mit einer Medienanfrage: Wie viele Polizistinnen und Polizisten gibt es in Nordirland? Geliefert haben die nordirischen Behörden aber nicht nur eine Zahl, sondern einen umfangreichen Datensatz mit Namen, Dienstrang, Funktion und Stationierung von allen 10'000 Polizeibeamtinnen und -beamten.
Nach zwei Stunden wurde der fatale Fehler bemerkt und die sensiblen Daten im Internet wieder gelöscht. Zu spät, wie sich nun zeigt. Ein Teil der Namen wurde am Wochenende in Belfast an einer Hausfassade als Graffiti veröffentlicht, verbunden mit der bedrohlichen Botschaft: «Wir wissen, wer ihr seid».
«Die vertraulichen Daten sind in die Hände von militanten Republikanern geraten», erklärte Polizeichef Simon Byrne an einer Medienkonferenz. Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese benutzt würden, um Angst und Verunsicherung zu verbreiten oder vielleicht sogar Anschläge zu verüben. «Wir unternehmen alles, um unsere Leute zu schützen und deren Gefährdung zu vermeiden.»
Die reale Gefahr von gewalttätigen Angriffen
Der Bürgerkrieg in Nordirland ist zwar längst zu Ende, aber die Wunden sind bis heute nicht verheilt. Im Gegenteil: Der Brexit und das umstrittene Nordirland-Protokoll haben diese wieder aufgerissen. Drohungen von militanten Unionisten und Republikanern sorgen bis heute regelmässig für Terrorwarnungen.
Im Unterschied zum restlichen Königreich tragen Polizistinnen und Polizisten in Nordirland zu ihrer eigenen Sicherheit eine Dienstwaffe. Dies mit gutem Grund: Militante Republikaner erachten Polizisten und ihre Familien immer noch als Staatsfeinde und damit «legitime Ziele». Dies zeigte sich einmal mehr im Februar diesen Jahres, als republikanische Terroristen in Belfast einen Polizei-Inspektor mit Schüssen schwer verletzten, als der seinen Sohn vom Fussballtraining abholen wollte.
Ihm sei durchaus bewusst, welche Gefahr von diesem Datenleck ausgehe, sagt der stellvertretende Polizeichef Chris Todd. Deshalb entschuldige er sich für dieses Versagen in aller Form. «Dieses Datenleck ist unakzeptabel.» Im Moment gebe es zwar keine Hinweise, dass Polizisten unmittelbar in Gefahr seien, «aber wir unternehmen alles Mögliche, um unsere Leute zu schützen.»
Polizeigewerkschaft fordert Schutzmassnahmen
Die Entschuldigung wird nicht reichen. Ebenso wenig die Versicherung der Regierung, die Sicherheit und das Wohlergehen der Polizisten habe höchste Priorität. Die Beamtinnen und Beamten fühlen sich nicht mehr sicher.
«Wir sind überzeugt, dass diese Daten genutzt werden, um einzelne von uns zu orten, zu verfolgen, zu attackieren und vielleicht sogar zu ermorden», so ein Polizist gegenüber der Tageszeitung «Belfast Telegraph». Die Polizeigewerkschaft verlangt deshalb nicht nur Schutzmassnahmen, sondern allenfalls auch Schadenersatz für Beamtinnen und Beamten, die aus Furcht den Dienst oder sogar Nordirland verlassen wollen.