Die Mitarbeiter der mexikanischen Botschaft in Bolivien fühlen sich durch die lokale Polizei bedroht. Deshalb will Mexiko nun beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag Beschwerde einlegen. Bolivien solle seine internationalen Verpflichtungen erfüllen und die «Unverletzlichkeit der mexikanischen Mission» garantieren, schrieb das mexikanische Aussenministerium.
Nach dem Sturz des bolivianischen Präsidenten Evo Morales im November hatte Mexiko der alten Regierung Schutz angeboten. Insgesamt neun Minister und Mitarbeiter der Morales-Regierung sollen sich in der mexikanischen Botschaft in La Paz verstecken. Gegen vier von ihnen laufen Haftbefehle. Ihnen wird Terrorismus und Meuterei vorgeworfen.
Die Haftbefehle stehen im Zusammenhang mit gewalttätigen Protesten. Diese gibt es, seit Morales Anfang November zurückgetreten ist und die Konservative Jeanine Añez das Amt übernommen hat. Es gebe Hinweise, dass gewalttätige Morales-Anhänger die früheren Minister aus der Botschaft holen könnten, begründet die Übergangsregierung die Polizeipräsenz.
Mexiko spricht von einer «Belagerung»
«Heute stehen zehn bolivianische Polizisten und zwei Fahrzeuge vor der mexikanischen Botschaft in La Paz», berichtet Südamerika-Korrespondent Ulrich Achermann. Mexikos Aussenminister spricht von einer Belagerung. Aus Sicht von Achermann ist das übertrieben. Die Bewachung sei zwar provozierend, aber die Polizei halte sich an die Regeln: Sie betritt die Botschaft nicht. «Das wäre eine grobe Verletzung der diplomatischen Gepflogenheiten», erläutert Ulrich Achermann.
Mexiko stellt sich auf den Standpunkt, dass die Gewährung von Botschaftsasyl rechtens ist und Bolivien gegen internationales Recht verstösst. Präsident Andrés Manuel López Obrador sagte am Donnerstag während einer Pressekonferenz, dass nicht einmal der rechte Militärdiktator Pinochet, der 1973 in Chile gegen den Sozialisten Allende putschte, eine solche Belagerung der mexikanischen Botschaft angefordert hätte, wie jetzt in Bolivien passiert.
«Der Konflikt ist in Mexiko aber auch kein grosses Thema», sagt Mittelamerika-Korrespondent Matthias Kündig. Man schüttle eher den Kopf über einen Sprecher der bolivianischen Übergangsregierung, der López Obrador als kleine Maus beschimpfte, die stets vor den USA einknicke.
Der Konflikt ist in Mexiko kein grosses Thema.
«Mexiko versucht, sich nicht provozieren zu lassen.» Die Beziehung zwischen den beiden Ländern sei aber auch nicht allzu eng. Das Wirtschaftsvolumen ist ebenfalls eher klein: «Bolivien liefert Quinoa, Mexiko im Gegenzug Traktoren und einige Maschinen.»
Boliviens Übergangsregierung versprach innert neunzig Tagen Neuwahlen. Ob das realisierbar ist, bleibe offen, so Achermann: «Die Übergangsregierung hat selbst erklärt, man müsse wohl länger am Ruder bleiben.» Die Wahlen fänden erst statt, wenn Mitte Januar eine neue Wahlbehörde gewählt worden ist. Diese ist nach dem Wiederwahlversuch von Morales stark unter Beschuss geraten: Die Organisation der amerikanischen Staaten wirft ihr Manipulation vor.
Morales befindet sich derweil in Argentinien, im Grenzgebiet zu Bolivien. Er wurde Mitte Dezember zum Leiter der Wahlkampf-Kampagne seiner MAS-Partei ernannt und kündigte bereits an, im Wahlkampf nach Bolivien zurückzukehren. «Aber dann würde ihm wahrscheinlich die Verhaftung drohen», schätzt der Südamerika-Korrespondent.