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Putin und Biden in Genf Der Gipfel war nicht historisch – aber nützlich

Der Auftakt war freundlich, aber unterkühlt. Ein kurzer Händedruck. Ein knappes Lächeln. Das entsprach nicht der geschürten Erwartung, hier finde «ein wirklich, wirklich wichtiges Treffen» statt, bei dem es «um nicht weniger als den Weltfrieden geht» – um nur zwei Zitate aus der aufgeregten Liveberichterstattung herauszugreifen.

Gleich zu Beginn machten dann Joe Biden und Wladimir Putin klar, dass sich hier zwei nüchterne, illusionslose Politiker trafen. Putin dankte Biden zunächst für die Initiative für diesen Gipfel in Genf und meinte, es gebe viele Themen, über die man auf oberster Ebene sprechen müsse.

Biden erwiderte, es sei stets besser, wenn man sich persönlich treffe. Man könne so ausloten, wo es gemeinsame Interessen gebe und damit auch Chancen zur Kooperation. Kein Auftakt, der enthusiastisch stimmte. Aber auch kein schlechter.

Am Ende hat man zwar nicht viel, aber immerhin etwas erreicht. So soll sehr bald in Washington wieder ein russischer und in Moskau wieder ein amerikanischer Botschafter amtieren. Damit wird der seit Monaten andauernde «Botschaftskrieg» mit der gegenseitigen Ausweisung von Diplomaten beendet und ein Kommunikationskanal neu belebt.

Abrüstung ist wieder ein Thema

Eine Lösung sei auch möglich, so Putin, in der Frage von zwei Amerikanern, die derzeit in Russland in Haft sind. Zudem sollen neue Verhandlungen über die nukleare Abrüstung aufgenommen werden. Die Rede ist von einem «Dialog für die internationale strategische Stabilität».

So könnte etwa das anfangs Jahr um fünf Jahre verlängerte «New START»-Abkommen ausgebaut werden. Aus militärischer Sicht können sich beide Grossmächte, die zusammen 90 Prozent aller Atomwaffen besitzen, eine kräftige atomare Abrüstung problemlos erlauben – ohne ihre Sicherheit zu gefährden. Ausserdem sparten sie sich gigantische Kosten.

Moskau und Washington reden also endlich wieder über atomare Abrüstung. Der Weg zu Ergebnissen ist indes bei diesem Thema lang und steinig. Offenkundig war hingegen, dass bei manchen Konfliktthemen – Menschenrechte, Pressefreiheit, Ukraine, Belarus, Syrien, Cyberangriffe – die Positionen meilenweit auseinander liegen und keinerlei Annäherung stattfand.

Wer geht als «Sieger» nach Hause?

Immerhin zeigte sich, dass Biden und Putin, beide schon lange im Geschäft, miteinander reden können. Nicht freundschaftlich, aber freimütig, wie beide es nennen. Beide sprechen von einem positiven, konstruktiven Austausch.

Weil das jeweilige Heimpublikum, aber auch die Medien der beiden Seiten Gipfeltreffen stets auch als eine Art Boxkämpfe sehen, stellt sich nach dieser Lesart die Frage: Wer hat gesiegt? Für Putin war es bereits ein Erfolg, dass der Gipfel überhaupt stattfand. Denn Russland ist der klar schwächere Akteur als die USA. Indem Biden bereit war, so früh in seiner Amtszeit mit ihm als erstem nichtwestlichen Staatschef auf Augenhöhe zu reden, wertete er ihn auf.

Biden bezeichnete Russland, anders als sein Vorvorgänger Barack Obama, nicht als Regionalmacht. Er sprach von einem Dialog grosser Mächte. Das ist Balsam auf Russlands Seele. Doch auch Biden kann sich ein bisschen als Sieger fühlen: Gelingt es den USA dank des Gipfels, wenigstens auf einzelnen Feldern wieder mit Russland zu kooperieren, dann wird Putin aus US-Sicht nicht mehr an sämtlichen Fronten als Störenfried auftreten.

Und dann erreicht der US-Präsident, was ihm wirklich wichtig ist: Er kann dann die aussenpolitische Energie Washingtons auf den eigentlichen Herausforderer der USA richten, auf China.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Echo der Zeit, 16.06.2021, 19:00 Uhr

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