Wieso verlässt Amnesty International Indien? Die Menschenrechtsorganisation kann und will nach eigenen Angaben dort nicht mehr arbeiten, da ihre Konten von der Regierung blockiert worden sind. Für Amnesty International ist der Grund klar: Der indischen Regierung passe es nicht, dass sie über Menschenrechtsverletzungen berichte. Aufseiten der Behörden klingt es anders: Die Konten seien wegen Verstosses gegen Finanzierungsgesetze blockiert worden. Konkret gehe es um Spendengelder aus dem Ausland.
Kann die Regierung ihre Vorwürfe belegen? «Nein», erklärt Thomas Gutersohn, SRF-Korrespondent in Mumbai. «Mehrere Gerichtsverfahren sind noch hängig, und es gibt keine Akteneinsicht.» Laut der Regierung sind Gelder vom Hauptquartier von Amnesty International in London über dubiose Trusts in die indische Niederlassung gelangt. «Das würde tatsächlich gegen die Finanzierungsrichtlinien von internationalen NGOs in Indien verstossen.» In den vergangenen Jahren sei die Finanzierung von internationalen NGOs allerdings aufgrund der gesetzlichen Auflagen immer schwieriger geworden.
Welche Restriktionen werden NGOs auferlegt? Zum einen gibt es eine durchaus sinnvolle Deklarationspflicht, deren Ziel es ist, mehr Transparenz bei Geldflüssen zu haben, etwa um Geldwäscherei zu verhindern. «Letzte Woche entschied das Parlament zudem, dass alle Geldflüsse von internationalen NGOs über eine einzige Bank fliessen müssen und dass der Anteil an administrativen Kosten auf 20 Prozent reduziert wird», weiss Gutersohn. Das sei für NGOs, die wie Amnesty International nicht per se Entwicklungshilfe, sondern Kampagnen und Recherchen machten, enorm schwierig.
Was ist dran an Amnestys Kritik an Indien? Die Organisation spricht von einer Hexenjagd, da es der Regierung nicht passe, dass sie über Menschenrechtsverletzungen berichte. «Tatsache ist, dass Amnesty jüngst zwei sehr kritische Berichte in Indien herausgegeben hat», so Gutersohn.
«Natürlich passen solche Berichte der indischen Regierung überhaupt nicht», erklärt der in Mumbai lebende Korrespondent. Doch Amnesty sei nicht verboten worden, diese Berichte zu veröffentlichen: «Es gibt keine Zensur.» Die Regierung probiere vielmehr, durch enorme administrative Hürden die Arbeit von Organisationen wie Amnesty International einzuschränken.