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Umstrittene Gesetze in Indien Vor den Wahlen in Neu-Delhi brodelt der Konflikt

Am Rande der Hauptstadt versammeln sich insbesondere muslimische Frauen zu Protesten. Die Regierung versucht derweil zu beschwichtigen.

Die Lokalwahlen in Neu-Delhi dieses Wochenende sind die ersten im Land, seitdem im Dezember landesweit Proteste gegen die umstrittenen Bürgergesetze der Regierung ausgebrochen sind. Die Wahlen gelten als Stimmungstest für die Regierung. Am Rande der Hauptstadt hat sich derweil ein Epizentrum der Proteste gebildet: im Aussenquartier Shaheen Bagh.

Seit dem 11. Dezember blockieren hier Protestierende eine Hauptverkehrsstrasse. Sie sitzen auf dem Boden eines Festzelts, zu Hunderten – Tag und Nacht, sieben Tage die Woche. Bei einem Augenschein zeigt sich: Es sind vor allem muslimische Frauen, die die Proteste anführen.

Vor allem sind Frauen im Protest-Zelt.
Legende: SRF

Eine der Frauen ist Shagufta Ali. Sie sagt: «Die Regierung tut was sie will. Doch nun sind es wir Frauen, die auf die Strasse gehen und protestieren. Wir können nicht mehr länger nur daheimsitzen und zuschauen!» Der Protest richtet sich gegen zwei Projekte der Regierung: ein nationales Bürgerregister und das Gesetz für eine erleichterte Einbürgerung verfolgter Minderheiten aus Bangladesch, Pakistan und Afghanistan. Dieses gilt für alle, ausser für Muslime.

Wir können nicht mehr länger nur daheimsitzen und zuschauen!
Autor: Shagufta Ali Protestierende

Das Problem sei, so Shagufta Ali, die Verbindung der beiden Gesetze. Sie fürchtet, dass viele indische Staatsbürger nicht über die nötigen Dokumente verfügten, um in das nationale Bürgerregister aufgenommen zu werden. Dies sei bereits im Bundesstaat Assam der Fall. Diese Menschen würden künftig als illegale Migranten in Indien gelten – faktisch ausgebürgert.

Im Protestzelt hat es fast ausschliesslich Frauen.
Legende: SRF

Durch das Gesetz der erleichterten Einbürgerung könnten aber alle ausgebürgerten – alle, ausser die Muslime – wieder relativ einfach die indische Staatsbürgerschaft zurückerlangen. Deswegen seien für sie und viele andere im Protestzelt die Gesetze antimuslimisch.

«Klärendes Gespräch» für die Journalisten

Diese Botschaft sei falsch und werde vor den Wahlen in Neu-Delhi konstant falsch dargestellt, sagt die Regierungspartei BJP. Baijayant Panda, der Vize-Präsident der Regierungspartei, hat denn auch Journalisten in Delhi zum Gespräch empfangen.

Die Demonstrierenden kämen aus seiner Sicht in der Berichterstattung zu gut weg. Viele von ihnen wüssten gar nicht, worum es eigentlich gehe. Sie würden aufgewiegelt von Provokateuren, deren einziges Ziel es sei, die Regierung zu Fall zu bringen.

Die Regierung tut sich schwer mit den Vorwürfen

Die Protestierenden in Shaheen Bagh seien Arme, die oft nicht lesen könnten. Sie hätten die Gesetze nicht genau studiert und Ihnen werde gesagt, dass sie durch das Einbürgerungsgesetz betroffen seien. Doch das sei nicht der Fall. Kein indischer Staatsbürger, egal welchen Glaubens, sei betroffen von den Einbürgerungsgesetzen. Und was das Einwohner-Register betreffe, dazu gebe es vorerst noch nicht einmal einen konkreten Vorstoss im Parlament.

Auch die Uno kritisiert das geplante Gesetz

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Das Uno-Menschenrechtsbüro in Genf hat das Einbürgerungsgesetz als «grundlegend diskriminierend» bezeichnet. Es untergrabe das Versprechen zur Gleichheit vor dem Gesetz. Dazu habe sich Indien nicht zuletzt mit seiner eigenen Verfassung verpflichtet.

Tatsache ist, dass das Bevölkerungsregister bisher nur im Bundesstaat Assam eingeführt wurde. Innenminister Amit Shah hat mehrmals öffentlich angekündigt, das Register auf ganz Indien auszuweiten. Doch unter dem Druck der Proteste ist die Regierung eingeknickt – und legte das Vorhaben vorerst auf Eis.

Der Vorwurf der Diskriminierung ist aber nicht einfach zu entkräften. Nicht einmal der Vize-Präsident der BJP mag dem SRF-Reporter ins Mikrofon erklären, warum gewisse Religionsgruppen in den Genuss einer erleichterten Einbürgerung kommen sollen und andere wiederum nicht.

Echo der Zeit, 07.02.2020, 18:00

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