Seit Tagen überschlagen sich indische Fernsehsender mit der Berichterstattung über Nikki Bathi, das Opfer. Immer wieder schildern sie die Umstände ihres Todes, die Gier des arbeitslosen Ehemanns und seiner Eltern, die Rechtfertigungen des Vaters von Nikki Bathi, der das Unglück nicht verhindert hatte und wohl auch nicht verhindern wollte.
Bilder des Opfers zeigen eine auffallend schöne junge Frau. Zusammen mit ihrer Schwester führte Bathi einen Schönheitssalon, postete Werbe-Videos auf Instagram, hatte Tausende Follower, verdiente eigenes Geld. Jetzt ist sie tot. Nikkis Schwester hat die Tat gefilmt, aber traute sich wohl nicht, einzugreifen.
Ganz Indien diskutiert darüber, wie es so weit kommen konnte. Das Video sei sehr verstörend, sagt Yogita Bhayana, eine bekannte Frauenrechts-Aktivistin aus Delhi, am Telefon. «Aber wenigstens reden wir darüber. Mitgift-Morde sind sehr verbreitet in Indien und wir sollten uns endlich dieser Realität stellen.»
Mitgift für die Braut zu geben, ist in Indien seit mehr als 60 Jahren verboten. Trotzdem sei diese Praxis vor allem im Hindi-sprechenden Norden des Landes noch immer weit verbreitet, sagt Bhayana. Viele Eltern seien stolz darauf, wenn sie ihrer Tochter etwas mitgeben können. Sie hofften auch, dass die Tochter durch eine gute Mitgift gegen die tief verwurzelte Gewalt in der Ehe besser geschützt sei.
Einen Mercedes und 70'000 Franken
Die Realität sieht anders aus. Auch Nikki Bathi war schon neun Jahre verheiratet, als sie ermordet wurde. Zur Hochzeit mit einem arbeitslosen Mann hatte ihre Familie eine stattliche Mitgift spendiert: ein halbes Kilo Gold, einen SUV, Bargeld. Zur Geburt des Sohnes gab es noch ein Motorrad obendrauf.
Doch Ehemann und Schwiegerfamilie konnten offenbar nicht genug bekommen: Berichten zufolge forderten sie immer mehr, zuletzt einen Mercedes und umgerechnet knapp 70.000 Franken – ein Vermögen in Indien. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, soll Nikki Bathi immer wieder geschlagen und gefoltert worden sein. Sie floh mehrmals zu den Eltern, doch die schickten die Tochter nach Beratungen mit den Dorfältesten immer wieder zurück, wie der Vater in TV-Interviews berichtete.
Das sei gängige Praxis in Indien, sagt Frauenrechtlerin Yogita Bhayana, und Ausdruck der frauenfeindlichen, patriarchalen Haltung in der Gesellschaft. Töchter würden oft zu gewalttätigen Ehemännern und Schwiegerfamilien zurückgeschickt, um die Familienehre nach aussen hin zu wahren.
Wenn eine verheiratete Tochter zu ihrer eigenen Familie zurückkehre, werde das als Schande angesehen. Frauen wie Nikki Bathi sind oft gewungen, es jahrelang in toxischen Beziehungen auszuhalten. Ihre finanzielle Unabhängigkeit half ihr nicht. «Frauen müssen auch lernen, mental unabhängig zu werden», sagt Frauenrechtlerin Yogita Bhayana. Sie müssten verstehen, dass es wichtiger sei, in Würde zu leben als verheiratet zu sein.
Auch die Schwester in Gefahr
Für Nikki Bathi ist es dafür zu spät, für ihre Schwester noch nicht: Sie ist mit dem Bruder des Ehemannns und mutmasslichen Mörders verheiratet. Auch sie soll seit Jahren geschlagen und gefoltert worden sein, wegen nachträglicher Mitgiftforderungen. Und sie war es, die das Video der Tat aufnahm.
Es ist ein wichtiger Beweis, dass ihre Schwester ermordet wurde und nicht durch Suizid starb. Denn es gilt als offenes Geheimnis, dass viele Mitgift-Morde als Suizid deklariert werden.