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Regierung in Deutschland Unbeliebte Ampel auf dem Tiefpunkt – wie weiter?

Ein allfälliger «Neustart» der Regierung sei erst nach den Wahlen in Bayern und Hessen im Herbst denkbar, schätzt eine Expertin.

Die Umfragen: Die Ampel-Regierung wird beim deutschen Volk immer unbeliebter. Laut der jüngsten Forsa-Umfrage sind 77 Prozent der Bevölkerung unzufrieden mit der Koalition von SPD, Grünen und FDP. Nur 22 Prozent der Befragten attestieren der Regierung noch einen guten Job. Gleichzeitig verzeichnet die AfD Rekord-Umfragewerte um die 20 Prozent und liegt damit hinter der CDU und vor der Kanzlerpartei SPD auf Platz zwei.

Der jüngste Tiefschlag: Für die schlechten Noten gebe es mehrere Faktoren, sagt Claudia Kade, Politikchefin der Tageszeitung «Die Welt»: Vorläufiger Höhepunkt war das letzte Woche vom Bundesverfassungsgericht gestoppte Heizungsgesetz, das die Ampel durchs Parlament peitschen wollte. Zuvor hatte sich die Regierung während Monaten fast bis zum Bruch zerlegt, als sie um den Plan des Grünen-Vizekanzlers Robert Habeck zum raschen Austausch von Öl- und Gasheizungen stritt. Zusätzlich bescheinigte das Verfassungsgericht der Regierung noch schlechtes Handwerk und erklärte, das Parlament dürfe so nicht behandelt werden.

Der Dauerstreit zwischen Grünen und FDP: Dass sich Grüne und FDP immer wieder angreifen, liegt neben den gegensätzlichen politischen Positionen auch an der Konzipierung der Regierung: Der Finanzminister, der nach dem Bundeskanzler eigentlich die wichtigste Figur ist, weil er jedes Gesetzesvorhaben finanziell absegnen muss, ist FDP-Parteichef Christian Lindner. Der Grünen-Vizekanzler Habeck ist Chef des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums. Da liegen Streitereien bei den grossen Vorhaben auf der Hand.

Die Profilierung: Es geht aber auch um Umfragewerte, Profilierung und Wahlerfolge. Seit der Regierungsbildung 2021 haben FDP und Grüne bei mehreren Wahlen in den Bundesländern schlechter abgeschnitten. Die Parteiführungen haben entschieden, stärker gegen die anderen Parteien zu agieren – mit Blick auf ihre Parteibasis und die Bundestagswahlen 2025.

Ampel an der Ampel.
Legende: Warten an der roten Ampel: Die deutsche Regierung am 14. Juni 2023 auf dem Weg zur Vorstellung der neuen nationalen Sicherheitsstrategie in Berlin. imago images/Ipon

Das Kalkül des Kanzlers: Dass SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz nicht wirklich etwas unternimmt, um zumindest gegen aussen Einigkeit zu zeigen, hat spezielle Gründe. Die Grünen sind in der letzten Bundestagswahl ziemlich stark geworden. Da kommt es ihm entgegen, wenn sie sich mit den Liberalen zanken und er als Moderator auftreten kann. Doch das klappt nicht mehr. Die SPD rutscht in Umfragen ab. Immer mehr Menschen erwarten eine stärkere Führung von Scholz.

Die Rechnung der AfD: Die Oppositionspartei AfD profitiert davon, dass die Ampel derart zerstritten ist. Grossen Zulauf erhält die Partei gemäss Umfragen mit ihrem Thema Migration. Hier hat sich die Ampel vorgenommen, den Flüchtlingszuzug und die übrige Migration zu lockern, um den Arbeitskräftemangel zu lindern.

Die Prognose: Einzelne Zirkel von Ampelpolitikern und -politikerinnen haben in den letzten Wochen diskutiert, wie lange die Ampel noch halten kann. Mittlerweile hat sich laut Kade die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Auseinandergehen vor allem Rechtsaussenparteien wie der AfD helfen würde. Das will niemand. Deshalb will man sich nach den parlamentarischen Sommerferien zusammenraufen, um einen «Neustart» zu versuchen. Doch es stehen die wichtigen Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Herbst an. Eine allfällige Beruhigung in der Ampel hält «Welt»-Politikchefin Kade frühestens nach diesen Wahlen für möglich, wenn überhaupt.

SRF 4 News aktuell, 13.07.2023, 07:20 Uhr ; 

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