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Regionalwahlen in Russland Wahlen gehören zu den Ritualen des Putin-Regimes

Am Wochenende standen in Russland Regionalwahlen an. Von Freitag bis Sonntag wurden Gouverneure, Regionalparlamente und Gemeinderätinnen und -räte gewählt – insgesamt ging es um rund 47'000 Ämter. Die Wahlen sind laut Beobachterinnen und Beobachtern nicht frei. Dennoch geben sie einen Einblick in die Autokratie Russlands. Russland-Korrespondent Calum MacKenzie ordnet ein.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Die Wahlen sind offenbar nicht frei. Gibt es da überhaupt einen Wettbewerb?

Die kurze Antwort ist Ja. Die lange Antwort ist Nein. In russischen Wahlen gibt es heutzutage nur einen Wettbewerb: Wenn es innerhalb der Kreml-treuen Elite zu Spannungen oder Rivalitäten kommt, dann kann es sein, dass es zwischen Kandidaten von zwei kremltreuen Parteien – meist sind es die Putin-Partei Einiges Russland und die Kommunistische Partei – zu einem echten Rennen kommt, bei dem es keinen gesicherten Ausgang gibt. Aber eigentlich ist das kein echter Wettbewerb, weil beide Kandidaten am Ende sowieso der Putin-Regierung treu ergeben sein werden. Kandidierende, die dem Kreml wirklich gefährlich werden könnten, werden gar nicht erst zugelassen zu den Wahlen. Das hat man bei den aktuellen Wahlen zum Beispiel in Kamtschatka gesehen. Vor der Halbinsel im Fernen Osten von Russland hat es jüngst Erdbeben und Tsunamis gegeben, und die Menschen waren nicht besonders zufrieden mit der Art und Weise, wie der Gouverneur der Putin-Partei Einiges Russland damit umgegangen ist. Aber er hatte keine echten Herausforderer. Wahre Rivalen wurden bereits vorher von der Wahl ausgeschlossen.

Was zeigen die ersten Wahlergebnisse?

Das aktuelle Fazit ist, dass der eh schon sehr, sehr eingeschränkte Wettbewerb noch mehr eingeschränkt wurde. Bei den aktuellen Gouverneurswahlen in der Region Irkutsk und Archangels, war es zum Beispiel der Fall, dass die unpopulären Gouverneure von Einiges Russland von Kandidaten der Kommunisten ernsthaft herausgefordert wurden. Da gab es auch Streitigkeiten innerhalb der lokalen Elite und die Ausgangslage, dass der bisherige Gouverneur im Volk nicht besonders beliebt war. Aber in den aktuellen Resultaten haben beide bisherigen die Nase vorn. Und das lässt darauf schliessen, dass dieser sehr eingeschränkte Wettbewerb immer mehr beschnitten wird, und dass es Putins Partei Einiges Russland und der Staatsapparat immer weniger darauf ankommen lassen und lieber dafür sorgen, dass der absolut loyale Kandidat gewinnt.

Soldaten als Kandidaten

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Bei den Regionalwahlen sind auch rund 1400 Militärveteranen angetreten – was vom Kreml offenbar bewusst gefördert wurde.

Laut SRF-Korrespondent Calum MacKenzie spreche nicht nur Putin schon lange davon, dass man die sogenannten Helden der Spezialoperation in der Ukraine zu einer Art neuen und treuen Elite im Land machen solle, die bedingungslose Unterstützung des Regimes zeigen würde. Dazu gehöre deren Förderung in der Gesellschaft, zum Beispiel, indem sie zu Lehrern ausgebildet werden oder politische Ämter einnehmen sollten – sozusagen als neue Schicht im Beamtentum.

«In diesem Sinne gab es bei diesen Wahlen einen gewissen Drive, dass Veteranen für Ämter kandidieren. Sie durften auf ihrem Wahlmaterial sogar ein spezielles Zeichen drucken lassen, das darauf hinweist, dass sie in der Ukraine gekämpft haben.» Zuvor war von dieser Förderung der Veteranen noch nicht viel zu spüren gewesen.

Allerdings seien die 1400 kandidierenden Veteranen immer noch nur ein ganz kleiner Prozentsatz aller Kandidaten gewesen, die zudem vor allem für sehr niedrige und unbedeutende Posten vorgeschlagen wurden. «Das hinterlässt den Eindruck, als wäre die ganze Kampagne eher symbolisch.»

Mit desillusionierten und wütenden Veteranen hatte Russland schon nach den Kriegen in Afghanistan und Tschetschenien Probleme, erklärt MacKenzie. «Nun will der Kreml offenbar zeigen, dass die zurückkehrenden Soldaten gute Karrierechancen haben. Aber in der Wirklichkeit sieht es viel bescheidener aus als das, was versprochen wurde.»

Warum gibt es überhaupt noch Wahlen in Russland, wenn der Ausgang schon im Voraus feststeht?

Wahlen gehören zu den Ritualen des Regimes, das ja theoretisch immer noch vorgibt, eine Demokratie zu sein. Die Wahlen dienen dazu, dem Regime immer wieder neue Legitimierung zu geben. Den Eindruck zu erwecken, das Volk habe diese Regierung gewählt. Und das ist nicht unwichtig. Auch eine Autokratie will zumindest so tun, als habe sie die Unterstützung des Volkes. Und um dieser Legitimierung noch mehr Glaubwürdigkeit zu geben, hat man in den letzten Jahren auch einige im sehr beschränktem Masse offene Rennen zugelassen. Die Kandidaten der Regierung haben aber jeweils einen Riesenvorteil, weil sie die ganzen Medien und Staatsressourcen auf ihrer Seite haben – was dann meistens den Wahlsieg garantiert. Aber wie wir sehen, reicht das nicht immer allein. Da müssen teilweise auch andere Tricks angewendet werden, wie etwa jenen, alle echten und populären Kandidaten von den Wahlen auszuschliessen.

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SRF 4 News, 15.09.2025, 7:26 Uhr ; 

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