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Macrons umstrittene Rentenreform: Das müssen Sie wissen
Aus SRF 4 News aktuell vom 23.01.2023. Bild: Keystone/EPA/Yoan Valat
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Rentenreform in Frankreich Rentenalter 64: Warum Macrons Schicksalsprojekt stark polarisiert

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kämpft um sein Vermächtnis, der Aufschrei der Strasse ist riesig. Die Rentenreform kurz erklärt.

Macrons wichtigste Vorlage: Die Rentenreform ist das zentrale Projekt von Präsident Emmanuel Macrons zweiter Amtszeit. Weil sich das Rentensystem wegen der alternden Bevölkerung langfristig nicht finanziert, plant die Regierung eine tiefgreifende Reform.

Macron an einer Medienkonferenz im Paris (22.01.2023)
Legende: Frankreichs Präsident Macron wollte das Rentensystem schon in seiner ersten Amtszeit reformieren. Nach wochenlangen Streiks und dem Aufflammen der Corona-Pandemie wurde das Vorhaben aber verschoben. Keystone/AP/Benoit Tessier

Nun tagt die Regierung zum Vorhaben und dürfte das Projekt aller Voraussicht nach verabschieden. Danach soll es dem Parlament übergeben werden. «Die Opposition hat allen Grund, dagegen zu kämpfen», sagt SRF-Frankreich-Korrespondent Daniel Voll. «Denn sie kann damit Widerstand gegen die Regierung Macron an sich leisten.» Politisch steht also viel auf dem Spiel.

Das sind die Kernpunkte der Reform: Frankreichs Regierung will das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Ausserdem soll die Zahl der notwendigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Etliche Einzelsysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen sollen abgeschafft werden.

Renter beim Pétanque-Spiel in Paris
Legende: Im europäischen Vergleich ist das Rentenalter in Frankreich und Schweden am niedrigsten, auch das Verhältnis von Beiträgen und Leistungen ist vergleichsweise gut. Nun soll es vorbei sein mit dem französischen Frührentnertum. Keystone/AP/François Mori

Die monatliche Mindestrente soll auf etwa 1200 Euro steigen. Für Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten oder deren Arbeitsbedingungen aussergewöhnlich hart sind, soll es jedoch früher in den Ruhestand gehen.

Darum ist der Widerstand so gross: Wegen der geplanten Rentenreform streikten in Frankreich am vergangenen Donnerstag über 1.1 Millionen Menschen. Der Widerstand gegen die Reform ist auch so gross, weil das im europäischen Vergleich tiefe Rentenalter von 62 vielen Menschen in Frankreich als zentrale soziale Errungenschaft gilt.

Menschen demonstrieren in Paris gegen die Reform (19.1.2023)
Legende: In Paris sind am Samstag erneut mehrere Tausend Menschen gegen die geplante Rentenreform auf die Strasse gegangen. Ein Dutzend Jugendorganisationen und Frankreichs Linke LFI hatten zu Protesten gegen die Anhebung des Rentenalters aufgerufen. Keystone/EPA/Yoan Valat

«Die Pläne, das Rentenalter auf 64 heraufzusetzen, werden als Angriff gegen eine Art französische Lebens- und Sozialkultur empfunden», erklärt Gilbert Casasus, emeritierter Professor für Europastudien an der Universität Freiburg.

Nach den Protesten hat die Regierung bereits angekündigt, dass Bezüger kleiner Renten künftig fünf Prozent mehr Geld erhalten werden. Interessant wird für SRF-Korrespondent Voll im weiteren Verlauf sein, ob die Regierung nach den massiven Protesten zu weiteren Konzessionen bereit ist.

So stehen die Chancen der Reform: Ab Februar dürfte das Parlament über die Reform debattieren. Die Regierungskoalition hat dort keine Mehrheit, braucht also auch Stimmen aus anderen Parteien. Sie darf mit der Unterstützung eines grossen Teils der konservativen Républicains rechnen, schätzt Voll. «Denn auch für sie geht die Erhöhung des Rentenalters in die richtige Richtung.»

Macron im Wahlkampf 2012.
Legende: Unter ihrem damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy waren es vor zwölf Jahren die Konservativen, die das Rentenalter von 60 auf 62 heraufsetzten. Keystone/AP/Christophe Ena

Unbestritten ist die Reform bei den Konservativen aber nicht. Ungefähr ein Drittel wird wohl dagegen stimmen. Im Parlament dürfte es also sehr knapp werden. Die Parteien dürften auch darum ringen, wer der Bevölkerung seine «soziale Ader» zeigen kann, schliesst Voll.

Greift Präsident Macron zum Brecheisen?

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Falls die Rentenreform im Parlament keine Mehrheit findet, könnte die Regierung zum «parlamentarischen Brecheisen» greifen, wie es Frankreich-Korrespondent Daniel Voll nennt: Sie könnte die Reform nämlich in eigener Kompetenz bewilligen. Sie kann sich dafür auf eine Art Notstandsparagraphen stützen.

«Dann käme es im Parlament zu einem Misstrauensantrag, der mit einem gewissen Risiko für die Regierung verbunden wäre», erklärt Voll. Denn die Regierung könnte über diese Vertrauensabstimmung stolpern. Als Folge müsste Präsident Macron das Parlament auflösen und es käme zu Neuwahlen.

Die entscheidende Rolle der Strasse: Die massiven Proteste gegen die Reform dürften die nächsten Tage und Wochen weitergehen. Sie könnten zum eigentlichen Stolperstein für die Reform werden, schliesst der Korrespondent: «In Frankreich kann die Strasse und der soziale Widerstand über Streiks gewaltigen Einfluss haben.» Die Regierung wird deswegen versuchen müssen, auf die Proteste einzugehen und die Unzufriedenheit zu bändigen. Mit offenem Ausgang.

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Archiv: Gewaltiger Protest gegen Macrons Rentenreform
Aus Tagesschau vom 19.01.2023.
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SRF 4 News, 23.01.2023, 8:20 Uhr;

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