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«Russia Today en español» Moskau macht TV-Propaganda in Lateinamerika – mit Erfolg

Der Fernsehsender «Russia Today» wird vom russischen Staat finanziert – mit dem Auftrag, dem westlichen Publikum die russische Sicht zu zeigen. Dem Sender wird immer wieder vorgeworfen, Desinformation zu verbreiten, zum Beispiel bei der aktuellen Ukraine-Krise.

Aus diesem Grund hat die EU bereits vor einem Monat ein Verbot dieses Senders angekündigt. Man wolle Wladimir Putin die Möglichkeit entziehen Kriegspropaganda im Westen zu verbreiten, so die Begründung. Der Bundesrat sieht hingegen von einem Verbot von «Russia Today» ab.

«Russia Today en español» sendet seit 2009 aus eigenen Studios in Caracas, Havanna und Buenos Aires für die spanischsprachige Welt. Und die ist gross: Spanisch ist die Muttersprache einer halben Milliarde Menschen. Vor allem in den sozialen Medien hat der Sender einen grossen Einfluss. Seine Facebook- und Twitter-Seiten haben fast 30 Millionen Follower. Mehr als alle anderen Russia Today-Kanäle.

Daniel Iriarte ist Professor für Geopolitik, globale Sicherheit und Desinformation am LISA Institut in Madrid. Er hat sich in mehreren Arbeiten mit «Russia Today en español» beschäftigt.

Was der Sender ausstrahlt, hat nichts mit Journalismus zu tun: Er verbreitet Desinformation. Auch zu lokalen Themen.
Autor: Daniel Irarte Professor für Geopolitik, globale Sicherheit und Desinformation

Dies sei in der spanischen Version von «Russia Today» sehr gut sichtbar, erklärt Irarte. Konservative Regierungen seien ständig Zielscheibe negativer Berichterstattung: «Bei den massiven Protesten in Ecuador, Chile oder Kolumbien hat ‹RT› Inhalte produziert, um die Situation weiter anzuheizen.»

Durch die Parteinahme für die Demonstranten, schaffe es «Russia Today», sich als glaubwürdige Quelle zu etablieren, im Gegensatz zu regierungsnahen Medien, die als voreingenommen empfunden werden würden, sagt Daniel Iritarte.

Ukraine-Krieg heizt Propaganda an

Die russische Propaganda in spanischer Sprache wird seit der Invasion in der Ukraine noch mehr konsumiert. Die Videos von «Russia Today en español» werden seit Kriegsstart 5-mal mehr aufgerufen. Nach wie vor sind am Sender die Worte «Invasion» und «Krieg» verboten. 

In der Sendung von Moderator Javier Rodríguez Carrasco waren die mutmasslichen Kriegsverbrechen in Butscha das Thema. Hier sagt er, dass es von Anfang an klar gewesen sei, dass es sich um nichts anderes gehandelt habe als eine erfundene Provokation, um die russische Armee zu entmenschlichen.

Auch in Lateinamerika haben Twitter und Youtube «Russia Today» gesperrt. Um Blockaden im TV zu umgehen, sendet «RT» über einen russischen Satelliten. Und: Etwa 70 nationale Fernsehsender zeigen die Inhalte von Russia Today.

Die Medien in Lateinamerika garantieren nur selten eine objektive und unabhängige Berichterstattung. Viele Nutzer weichen darum auf internationale Medien aus.
Autor: Daniel Iriarte Professor für Geopolitik, globale Sicherheit und Desinformation

Sicherheitsexperte Daniel Iriarte sagt, der Sender profitiere von der Vertrauenskrise der Medien in Lateinamerika. Zeitungen, Fernsehstationen oder Radioimperien würden meistens einflussreichen Familien gehören: «Sie nutzen diese Macht, um die Politik zu beeinflussen. Die Medien in Lateinamerika garantieren nur selten eine objektive und unabhängige Berichterstattung. Viele Nutzer weichen darum auf internationale Medien aus. Der russische Kanal hat das gleiche Renommee wie alle andere Auslandssender.»

Russland als Gegenspieler der USA

Auch historische Gründe spielen eine Rolle: Russland wird in Lateinamerika als Gegenspieler der USA gesehen. Dafür betreibt Präsident Putin seit Jahren viel Aufwand: Mit Staatsbesuchen, grossen Investitionen oder Lieferungen von Impfstoffen.

Wegen des Krieges in der Ukraine hat «Russia Today en español» nun noch mehr Zuspruch – und damit noch mehr Einfluss auf die Innenpolitik der lateinamerikanischen Länder.

SRF 4 News, 20.04.2022, 12:30 Uhr

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