Schweizer Whistleblower - «Die harte Zeit ist vorbei und das Leben ist schön»
Der Schweizer Xavier Justo deckte als Whistleblower einen der grössten Korruptionsskandale der jüngeren Geschichte auf – Milliarden Dollar wurden aus dem malaysischen Staatsfonds 1MDB abgezweigt. Zunächst geriet Justo in die Mühlen der Justiz, nun baut er sich in Malaysia ein neues Leben auf.
Die Familien-Idylle bei Justos zu Hause ist nahezu perfekt. Xavier Justo, der Schweizer Whistleblower, lebt mittlerweile in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias. Mit ihm leben im schönen Haus seine Frau, sein Sohn, ein Hund, ein Papagei und eine Katze.
Nach turbulenten Jahren gehe es ihm nun endlich gut, erzählt der 53-Jährige neben seinem Pool, in Shorts und Hemd: «Ich bin frei, habe eine wunderbare Frau und einen süssen Jungen. Die harte Zeit ist vorbei und das Leben schön.»
Der 1MDB-Skandal
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1Malaysia Development Berhad – oder abgekürzt 1MDB – ist der Name eines malaysischen Staatsfonds. Ursprünglich hätte er Malaysia Entwicklung und Fortschritt bringen sollen, steht nun aber für den grössten Finanzskandal der jüngeren Geschichte, nicht nur für das asiatische Land. Der Fonds wurde regelrecht geplündert, Milliarden Dollars flossen in alle Welt.
Als Hauptdrahtzieher gilt der malaysische Geschäftsmann Jho Low, der alleine hunderte Millionen Dollar für sein Luxusleben verprasste. Dazu gehörten die teuersten Penthouses in den Metropolen der Welt, Yachten, Privatjets und Parties mit den Schönen und Reichen der Welt, wie Paris Hilton oder Supermodel Miranda Kerr.
Laut dem US-Justizdepartment, das die Leitung der Untersuchungen übernommen hat, wurden insgesamt mindestens 4.5 Milliarden Dollar aus dem Fonds veruntreut. Alleine 700 Millionen Dollar tauchten später auf privaten Konten des damaligen malaysischen Premierminister Najib Razak wieder auf.
Über Konten in der Schweiz flossen sieben Milliarden Dollar des 1MDB, sechs davon illegal. Dazu gehören auch die ersten 700 Millionen Dollar, die Jho Low 2009 aus dem Fonds abgezweigt und auf ein Konto der Zürcher Privatbank Coutts transferiert hatte.
Xavier Justo arbeitete früher als Nummer drei bei der Öl- und Gasfirma PetroSaudi. Schon lange hatte er sich über die exorbitant hohen Ausgaben von PetroSaudi gewundert und zwielichtige Geschäfte vermutet. Als er PetroSaudi im Streit mit den zwei Direktoren Patrick Mahony und Tarik Obaid verliess, nahm er einen Datensatz mit über 200'000 E-Mails mit.
Xavier Justo – der Whistleblower
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Der Sohn spanischer Einwanderer (sein Nachname heisst übersetzt «gerecht») ist gebürtiger Genfer. Nach einer Karriere bei verschiedenen Banken, wurde ihm 2010 eine Kaderstelle bei der Öl- und Gasfirma PetroSaudi angeboten.
Für die Genfer Firma arbeitete Justo als Direktor. 2011 kommt es zum Bruch mit der Firmenleitung. Bei seinem Abgang kam es zu einem Streit zwischen Justo und seinen Vorgesetzten Tarek Obaid und Patrick Mahony. Justo forderte 6.5 Millionen Dollar Abgangsentschädigung, Obaid und Mahony zahlten ihm vier Millionen Dollar. Trotzdem entwendete Justo den Datensatz. Obaid und Mahony sprechen nun von Erpressung.
Xavier Justo zieht mit seiner Frau nach Thailand. Im Gepäck hat er auch den belastenden Datensatz von PetroSaudi-Daten. Justo vermutet: Dahinter steckt ein riesiger Finanzskandal. Er sucht dafür einen Käufer und findet ihn in dem CEO der malaysischen Zeitung «The Edge».
Als diese zu recherchieren beginnt und Artikel veröffentlicht, wird Justo in Thailand verhaftet und aufgrund eines fingierten Geständnisses ins Gefängnis gesteckt.
Justo wird im Dezember 2016 vom thailändischen König begnadigt und darf das Gefängnis verlassen. Er kehrt in die Schweiz zurück. Als er erfährt, dass die Bundesanwaltschaft gegen ihn wegen Industriespionage ermittelt, entschliesst er sich mit seiner Frau und seinem Sohn nach Malaysia auszuwandern.
Dann zog Justo mit seiner Frau nach Thailand. Justo vermutet: Dahinter steckt ein riesiger Finanzskandal. Der ehemalige Banker verkauft den Datensatz von PetroSaudi für zwei Millionen USD an den CEO der malaysischen Zeitung «The Edge». Ab März 2015 publizierte «The Edge» aufgrund der PetroSaudi-Daten eine Serie von Artikeln, die die Involvierung der malaysischen Regierung in die Korruptions-Affäre um 1MDB aufzeigten.
Der Malaysier Ho Kay Tat erinnert sich im Gespräch mit SRF News an das Treffen: «Wir mussten eine schnelle Entscheidung fällen, kaufen oder nicht. Natürlich sagten wir ja, denn die Daten waren die Beweise, die wir so dringend benötigt hatten. Ohne Xavier Justo wäre der Skandal um 1MDB wahrscheinlich noch viele Jahre länger vertuscht worden.»
Ohne Xavier Justo wäre der Skandal um 1MDB wahrscheinlich noch viele Jahre länger vertuscht worden.
Die Regierung von Najib Razak reagierte harsch und liess die Zeitung für drei Monate schliessen, doch die Journalisten publizierten auf dem Onlineportal weiter.
1MDB – Die Hauptdarsteller im Milliardenskandal
In Thailand wurde Xavier Justo kurz nach den ersten Publikationen verhaftet, ins Gefängnis in Bangkok gesteckt und angeklagt. Er habe PetroSaudi mit den gestohlenen Daten zu erpressen versucht. Auf Anraten eines angeblichen Scotland-Yard-Polizisten legte Justo ein Geständnis ab. Inzwischen weiss man: Dahinter steckte die sogenannte «Genfer Connection» um die PetroSaudi Direktoren Obaid und Mahony.
Mit der Zeit im thailändischen Gefängnis verbindet Xavier Justo schmerzhafte Erinnerungen: «Ich schlief auf dem Boden in einer Zelle mit einem Loch als Toilette, die ich mit 50 Leuten teilte. Es war so eng, dass ich die Füsse der anderen ständig im Gesicht hatte. Alle schissen und pissten und masturbierten die ganze Nacht.»
Alle schissen und pissten und masturbierten die ganze Nacht.
Nach eineinhalb Jahren wurde Xavier Justo begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen. Er kehrt in die Schweiz zurück, wo die Bundesanwaltschaft seit November 2017 gegen die PetroSaudi Bosse Obaid und Mahony wegen Betrug, kriminellem Mismanagment und Geldwäscherei ermittelt.
Justo ist in der Schweiz als Whistleblower nicht geschützt. Seit einem Jahr ermittelt die Bundesanwaltschaft auch gegen ihn wegen Industriespionage, nachdem PetroSaudi gegen ihn Strafanzeige eingereicht hatte. Im Herbst 2019 entschliesst er sich mit seiner Frau und seinem Sohn nach Malaysia auszuwandern.
Bundesanwalt Lauber und der Finanzskandal
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Im Laufe der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft im 1MDB-Skandal tauchte 2018 ein Name auf: René Brülhart. Der Freiburger war damals und bis vor Kurzem Präsident der Finanzaufsicht im Vatikan. Eine Firma, bei der Brülhart beteiligt ist, hatte Zahlungen über 2.5 Millionen Franken von der Genfer Firma PetroSaudi erhalten.
Brülhart ist seit rund 20 Jahren mit Bundesanwalt Michael Lauber befreundet. Damals bauten sie gemeinsam die Geldwäscherei-Meldestelle in Liechtenstein auf. Schweizer Medien stellten den Verdacht in den Raum, dass sich die Verantwortlichen von PetroSaudi mit der Zahlung einen direkten Zugang zur Bundesanwaltschaft verschaffen wollten.
Brülhart selber weist in einer Stellungnahme jegliche Spekulationen über eine Beteiligung von ihm oder einer seiner Firmen am 1MDB-Skandal von sich. Bei der Bundesanwaltschaft heisst es auf Anfrage, dass sich Lauber und Brülhart «in unregelmässigen Abständen im privaten Rahmen» treffen. Im privaten Austausch äussere sich der Bundesanwalt nicht zu Strafverfahren. Ausserdem habe sich Michael Lauber nie mit Vertretern von PetroSaudi getroffen.
Dass er nun selbst im Scheinwerferlicht der Schweizer Justiz sei, während seine ehemaligen Chefs weiterhin auf freiem Fuss sind, versteht Justo nicht.
Auch Ho Kay Tat, der CEO der malaysischen Zeitschrift «The Edge» ist von der Schweizer Justiz enttäuscht: «Die Schweizer haben grosse Ankündigungen gemacht und viel versprochen. Doch während in den USA und Singapur Urteile gefällt wurden und in Malaysia nach dem Regierungswechsel die Untersuchungen schnell vorangetrieben werden, ist in der Schweiz nichts passiert. Was brauchen die Schweizer noch für Beweise, um endlich die Schuldigen zu verurteilen?»
Die Folgen des Finanzskandals
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Im Januar 2015 übergab der Schweizer Xavier Justo über 200'000 E-Mails an die Zeitung «The Edge» und den Blog «Sarawak Report» der Journalistin Clare Rewcastle Brown. Obwohl die malaysische Regierung alles tat, um eine Veröffentlichung zu verhindern, wurde nach und nach das Ausmass des Skandals bekannt.
In Malaysia selbst hatte der Skandal erst 2018 politische und juristische Auswirkungen. Bei den Wahlen wurde der involvierte Premierminister Najib Razak abgewählt. Sein Nachfolger Mahathir Mohammad veranlasste unverzüglich eine juristische Aufarbeitung – so wurde zum Beispiel Najib Razak in 42 Punkten angeklagt, der Prozess dürfte noch eine Weile dauern.
Jho Low, der Drahtzieher des Skandals, hat inzwischen mit der US-Justiz einen Deal abgeschlossen. Low bezahlt den USA eine Milliarde US-Dollar zurück. Die Anklagepunkte wegen Korruption und Geldwäscherei bleiben dagegen bestehen.
Doch auch in anderen Ländern hat der Skandal juristische Konsequenzen, in insgesamt elf Ländern sind Strafverfahren durchgeführt worden oder sind immer noch hängig. Mehrere ehemalige Goldman Sachs-Banker wurden verhaftet und zum Teil bereits verurteilt, darunter der deutsche Tim Leissner.
In der Schweiz führt die Bundesanwaltschaft das Verfahren durch. Sechs Milliarden US-Dollar seien illegal durch die Schweiz geschleust worden, 400 Millionen US-Dollar hat die Bundesanwaltschaft eingefroren. Das Geld soll nach Abschluss des Verfahrens den Geschädigten zurückgegeben werden. Wann das der Fall sein wird, dazu macht die Bundesanwaltschaft keine Angaben.
Die Bundesanwaltschaft ermittelt konkret gegen die Schweizer Banken Falcon und BSI – die BSI wurde inzwischen von der Finma geschlossen. Die beiden Banken werden der Geldwäscherei verdächtigt, denn das Geld des 1MDB-Fonds wurde zum Teil auch über sie durch die Schweiz geschleust. Ermittelt wird in der Schweiz auch gegen sechs Personen. Unter ihnen sind auch zwei Mitarbeiter eines Staatsfonds der Vereinten Arabischen Emirate sowie zwei Mitarbeiter des malaysischen Staatsfonds.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft schreibt dazu auf Anfrage von SRF News, über den zeitlichen Rahmen oder Verlauf von Strafverfahren könne sie keine Prognose machen, da es sich bei Strafverfahren um dynamische Prozesse handle. Sie bestätigt jedoch, dass sieben Milliarden Dollar im Zusammenhang mit 1MDB durch die Schweiz geflossen seien. 400 Millionen Franken wurden eingefroren und würden nach Abschluss der Verfahren an die Geschädigten zurück gezahlt werden.
1MDB – Die Beute
Xavier Justo hat für die gestohlenen Daten von der Zeitung «The Edge» zwei Millionen US-Dollar erhalten. Ein Grossteil des Geldes sei jedoch in Anwaltskosten geflossen, erklärt er frustriert. Im Herbst hat der Genfer die Schweiz verlassen, nicht wegen des laufenden Strafverfahrens, sondern weil er sich in Malaysia viel willkommener fühlt. Er baut sich nun dort ein neues Leben auf. In Malaysia werde er gefeiert wie ein Held, sagt er.
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