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Sechs Monate nach den Wahlen Wilders' Rechtspopulisten endlich in der Regierungsverantwortung

Die rechtspopulistische und antimuslimische «Partei für die Freiheit» von Geert Wilders wird die neue niederländische Regierung anführen. So viel ist klar. Die bisherige rechte Regierungspartei, eine neu gegründete rechtskonservative Partei und eine Bauernprotestpartei sind Teil der Regierung. Die Koalition kommt auf 88 Sitze in der 150-köpfigen Zweiten Kammer, verfügt also über eine solide Mehrheit.

Immer noch kein neuer Premier

Wie von den Wählerinnen und Wählern gewünscht, rückt die niederländische Regierung von der liberalen politischen Mitte deutlich nach rechts. Ein profiliertes Regierungsprogramm und einen politischen Kurs mit klaren Prioritäten dürfen die Bürgerinnen und Bürger aber nicht erwarten. Die schwierigen Verhandlungen zwischen vier Parteien, die kooperieren wollen, haben offenbart, dass ihnen politisch wenig gemein ist – abgesehen vom Pflichtgefühl, endlich eine neue Regierung zu bilden.

Das hat mit der Persönlichkeit von Geert Wilders zu tun. Er versprach vor und nach den Wahlen, gemässigt aufzutreten. Fortwährende verbale Fehltritte in den sozialen Medien belegen das Gegenteil. Erst nachdem Wilders einsehen musste, dass er als Premierminister selbst von seinen politischen Partnern nicht akzeptiert würde, waren die Bündnisparteien bereit, über Form und Inhalte zu beraten.

Das Bündnis ist übereingekommen, eine schwache Regierung einzusetzen, die je nach Sachgeschäft versuchen muss, im Parlament Mehrheiten zu finden. Die Parteiführerinnen und -führer bleiben im Parlament sitzen. Nur so liess sich eine politische Blockade verhindern. Wer neuer Premier wird, ist alles andere als klar.

Einwanderungsstopp nicht durchsetzbar

Die Kernanliegen von Wilders' «Partei für die Freiheit» wird das nicht zum politischen Durchbruch verhelfen. Die Asyl- und Migrationspolitik lässt sich etwas verschärfen; aber ein Einwanderungsstopp – wie von Wilders gewünscht – ist nicht durchzusetzen. Das würde gegen EU-Recht verstossen, was seine Bündnispartner nicht goutieren würden.

Der Klimaschutz bleibt wichtig, obwohl Wilders davon nichts hält. Die überdüngten Landwirtschaftsflächen lassen sich nicht mit Geld wegzaubern. Nötig bleibt mehr Ökologie in der exportorientierten Agrarindustrie. Anders kann sie wirtschaftlich gar nicht überleben. Und die versprochenen Steuergeschenke an Wilders Klientel werden nicht zu finanzieren sein. Die tief verankerte liberale Wirtschaftsordnung in den Niederlanden lässt sich nicht auf den Kopf stellen. Auch dafür werden die Koalitionspartner sorgen.

Politisch dreht sich die niederländische Politik also weiter im Kreis. Die offene Frage ist, wie lange und mit welchen Folgen. Geert Wilders hofft auf noch mehr politischen Zuspruch. Alle anderen Parteien hoffen darauf, dass das Kartenhaus aus Versprechen von Wilders’ Partei in sich zusammenfällt. Früher oder später schaffen nur Neuwahlen Klarheit, wie es weitergeht.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Rendez-vous, 22.05.2024, 12:30 Uhr

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