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Joe Manchin stellt sich quer zu Bidens Plänen
Aus Tagesschau vom 21.12.2021.
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Senator lehnt Sozialpaket ab Biden vs. Manchin: Ein Nein mit grossen Folgen

Was ist passiert? Dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden gelang es nicht, im Senat alle Parteikollegen für sein geplantes billionenschweres Sozial- und Klimapaket an Bord zu holen. Es ist die eine Stimme von Joe Manchin, die Biden benötigt hätte, um sein zweites grosses Reformpaket zu verabschieden – doch Senator Manchin, ausgerechnet ein Demokrat, verweigert sie ihm. Am Sonntag liess dieser ausgerechnet auf dem demokratisch-kritischen TV-Sender Fox-News die Bombe platzen. Er habe seit jeher Vorbehalte und könne nicht für das Vorhaben stimmen, sagte Manchin.

Ein Mann mit grauen Haaren und einem blauen Anzug geht mit leicht gesenktem Kopf einen Gang entlang
Legende: Sagt «No» zum grossen Sozial- und Klimaschutzprogramm: Joe Manchin. Er verfolgt einen anderen politischen Kurs als sein Parteifreund Joe Biden. Keystone

Weshalb ist dieses Paket so wichtig? Biden hat sich die Bekämpfung des Klimawandels auf die Fahne geschrieben. Er hat sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale geworfen, um das Vorhaben durchzusetzen. Das Sozial- und Klimapaket sowie das bereits beschlossene Paket mit grossen Infrastrukturinvestitionen gehören zu den Kernanliegen seiner Präsidentschaft – sie sollten so etwas wie sein Vermächtnis sein. Für Biden und seine Partei bedeutet Manchins Entscheid ein Jahr vor den Kongresswahlen ein echtes Problem.

Lässt sich das Projekt noch retten? Da die Demokraten im US-Senat nur eine hauchdünne Mehrheit haben und die Republikaner das Paket ablehnen, ist der Präsident in der Kammer unbedingt auf die Stimme des Senators angewiesen. Auf Nachfrage während Manchins Fernsehauftritt, ob seine Entscheidung definitiv sei, antwortete der Senator: «Dies ist ein Nein zu dieser Gesetzgebung. Ich habe alles versucht, was ich kann.» Beim genauen Hinhören lässt diese Aussage zwar noch eine Hintertür offen – die Überarbeitung des Gesetzestextes. Fakt ist aber, dass nach seinem öffentlichen Auftritt das Tischtuch zwischen ihm und Biden sowie dem linken Flügel der Partei zerschnitten ist.

Interessekonflikt bei Manchin

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Besonders pikant ist Manchins ablehnende Haltung zu Klimaschutzmassnahmen wie der Reduzierung fossiler Brennstoffe im Energiemix der USA.

Manchin gilt als Befürworter des Kohlebergbaus, denn sein Staat West Virginia ist der zweitgrösste Produzent der USA.

«Korruption des Kohlebarons»

Für Manchin ist es zudem ein handfester Interessenkonflikt, denn es geht für ihn dabei womöglich auch ums Geld: Er verdiente im vergangenen Jahr mehr durch Dividenden aus einer Beteiligung an einem Kohleunternehmen als durch sein Gehalt als US-Senator.

Vor diesem Hintergrund warf die linke demokratische Abgeordnete Ilhan Omar dem Parteikollegen Manchin vor, dessen Haltung zeige «die Korruption und das Eigeninteresse eines Kohlebarons».

Warum ist die jüngste Entscheidung von Manchin für Bidens Politik so gravierend? Im Senat sind die Machtverhältnisse seit einem Jahr so knapp, dass Bidens 50 Demokraten geschlossen abstimmen müssen, um ein Vorhaben durchsetzen zu können. Seither macht Manchin seinen Parteifreunden immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Viele demokratische Kritiker sehen Manchin inzwischen als Querulanten, der Bidens Präsidentschaft torpediert. Seine Rolle als Zünglein an der Waage macht den Senator derzeit jedenfalls zu einem der mächtigsten Politiker in Washington.

Biden ging Kompromiss ein – Manchin nicht

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Biden hatte in mehreren persönlichen Verhandlungsrunden mit Manchin versucht, ihn von dem Paket zu überzeugen. Dafür strich er den Umfang auch von ursprünglich erhofften rund 3.5 Billionen auf 1.75 Billionen Dollar um die Hälfte zusammen. Doch Manchin blieb skeptisch und sprach sich für ein Nein aus.

Bereits zuvor war es Joe Manchin, dessen Blockadehaltung beinahe Joe Bidens anderes Grossprojekt zu Fall gebracht hatte – das Infrastrukturpaket, ebenfalls ein billionenschweres Vorhaben. Die Gelder daraus fliessen unter anderem in die Sanierung von maroden Verkehrswegen und den Bau neuer Strom- und Internetleitungen.

Angeblich bereits ein Ja abgetrotzt

Linke Demokraten hatten die gigantischen Ausgaben mitgetragen unter der Prämisse, dass der moderate- und konservative Parteiflügel dem Sozial- und Klimaschutzpaket zustimmt. Dem Zögerer Manchin soll das weisse Haus angeblich auch schon ein Ja abgetrotzt haben.

Umso empörter reagierte die Präsidentensprecherin Jen Psaki auf die nun öffentlich erklärte Ablehnung. Manchin habe versprochen, in den kommenden Tagen weitere Gespräche zu führen und nach einem Kompromiss zu suchen. Sollte dies nun ein Ende dieser Bemühungen bedeuten, sei das «eine plötzliche und unerklärliche Kehrtwendung und ein Bruch seiner Verpflichtungen gegenüber dem Präsidenten und den Kollegen des Senators im Repräsentantenhaus und im Senat».

Das Weisse Haus werde weiter auf ihn einwirken, um zu sehen, «ob er seine Position noch einmal ändert, um seine früheren Zusagen einzuhalten und zu seinem Wort zu stehen», sagte Psaki. Der Kampf für das Paket sei zu wichtig. Man werde «einen Weg finden, nächstes Jahr weiterzumachen».

Was bedeutet Manchins «NO» für Biden und Amerika im Hinblick auf die kommenden Kongresswahlen? Dass ein Kernprojekt des Präsidenten aus den eigenen Reihen derart torpediert wird, ist ungewöhnlich. Zudem kratzt es an Bidens Autorität, dass er trotz einer – wenn auch hauchdünnen – Mehrheit in beiden Kongresskammern nicht in der Lage scheint, sein Anliegen durchzusetzen. Aber auch die Demokraten stehen schlecht da, denn sie konnten oder wollten offensichtlich ihre Reihen nicht schliessen.

Audio
Aus dem Archiv: USA – Widerstand gegen eigene Parteilinie
aus Echo der Zeit vom 01.10.2021. Bild: Keystone
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Vor den Kongresswahlen im November 2022 bräuchten Biden und seine Partei das Paket als Erfolg – zumal sie ihre Mehrheit in beiden Kammern verlieren könnten. Bei der Zwischenwahl im November dürfen zwar die oppositionellen Republikaner darauf hoffen, eine oder vielleicht sogar beide Parlamentskammer zu erobern – doch über die Rolle der Blockierer werden auch sie nicht hinauskommen. Die USA stecken also in einem politischen Patt fest.

Parteiinterner Graben wird grösser

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Ganz nebenbei dürfte das Nein von Manchin auch die wachsenden, internen Flügelkämpfe verstärken. Wegen ihrer inhaltlichen Spreizung ähneln die Demokraten ohnehin eher einer Sammlungsbewegung als einer Partei. Eine ihrer bekanntesten progressiven Abgeordneten, Alexandria Ocasio-Cortez aus New York, sagte einmal, dass sie und Joe Biden in keinem anderen Land der Welt in einer Partei wären.

Tagesschau, 21.12.21, 19:30 Uhr;

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