Seit Anfang Oktober ist das grösste serbische Ölunternehmen NIS mit US-Sanktionen belegt. Bislang zeichnet sich keine schnelle Lösung ab. Es drohen harte Konsequenzen für die Wirtschaft.
Die Bedeutung des Unternehmens für die gesamte serbische Wirtschaft sei enorm, sagt der Ökonom Goran Radosavljevic. Denn es verfüge über die einzige Ölraffinerie im Land und kann damit Rohöl in Treibstoffe wie Benzin umwandeln. 80 Prozent der Landesversorgung wird von NIS abgedeckt.
Das ehemalige Staatsunternehmen gehört mehrheitlich dem russischen Rohstoffgiganten Gazprom. Daher wurde es nun mit US-Sanktionen belegt. Mit Inkrafttreten dieser Sanktionen endeten die Rohöllieferungen über eine Pipeline aus Kroatien.
Preissteigerungen werden erwartet
Gemäss der Regierung verfügt das Unternehmen noch über Rohölreserven bis November. Danach müsste man bereits die strategischen Ölreserven des Landes anzapfen.
Früher oder später wird Serbien trotzdem Treibstoffe importieren müssen. Mit Lastwagen aus Ungarn oder Rumänien, was ein logistischer Albtraum sei, so Wirtschaftsexperte Radosavljevic der privaten Metropolitan University in Belgrad. Da das System bislang ganz auf diese eine Raffinerie ausgelegt ist, würden mittelfristig gar Engpässe drohen.
Für die Regierung von Aleksandar Vucic sind das keine guten Neuigkeiten.
Unausweichlich stiegen auch die Preise. Zu spüren bekommen das nicht nur die Konsumenten, sondern auch jene Sektoren, die stark auf Treibstoff angewiesen sind, wie etwa die Landwirtschaft. Es droht eine Inflation.
Regierung hat sich verkalkuliert
«Für die Regierung von Aleksandar Vucic sind das keine guten Neuigkeiten», sagt der Politikwissenschaftler Vuk Vuksanovic vom Belgrade Center for Security Policy. Wegen der anhaltenden Proteste stünde er bereits unter Druck, nun drohe zusätzlich noch ein sozioökonomischer Schock.
Verhängt wurden die US-Sanktionen noch von der Biden-Administration bereits im Januar. Unter Trump wurden die Sanktionen immer wieder verschoben. Doch die Fristen wurden immer kürzer, bis die Sanktionen schliesslich am 9. Oktober in Kraft getreten sind. Serbien habe hoch gepokert – und verloren, so Vuksanovic. Möglicherweise habe man nicht daran geglaubt, dass die Sanktionen tatsächlich umgesetzt werden.
Rasche Lösung dürfte schwierig werden
Nun brauche es unter Zeitdruck eine Lösung. Am naheliegendsten wäre ein Rückkauf jener Anteile, die der serbische Staat 2008 an Gazprom verkauft hatte. Doch Russland will bislang nicht verkaufen.
Hinzu kommt: Serbien erhält derzeit russisches Gas zum Vorzugspreis. Doch der Vertrag läuft bald aus, derzeit wird über einen neuen verhandelt. Kein guter Zeitpunkt also, um Druck auf Russland auszuüben.
Aleksandar Vucic schloss nach einem Treffen mit Gazprom denn auch eine Wiederverstaatlichung zunächst aus. «Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Regierung in sechs oder neun Monaten noch gleich denkt», so der Ökonom Goran Radosavljevic. Dann nämlich, wenn die Konsumenten und Konsumentinnen die steigenden Preise spürten.