In Hong Kong wurde am Sonntag gewählt. Es sind erst die zweiten Wahlen, seit die Demokratiebewegung von 2019 niedergeschlagen wurde und Peking die eigentlich teilautonome Sieben-Millionen-Stadt ganz auf Linie gebracht hat. Die Wahlen fanden zudem nur wenige Tage nach der verheerenden Brandkatastrophe in einer Wohnanlage statt, bei der nahezu 160 Menschen umkamen und Dutzende noch vermisst werden. Trotz des Brandes haben die Behörden am Wahltermin festgehalten. Einschätzungen des Ostasienkorrespondenten.
Wie gross ist das Interesse an den Wahlen in der Bevölkerung?
Das Interesse an den Wahlen in Hongkong ist gering. Die Wahlbeteiligung liegt knapp unter dem Tiefstwert von 2021. Dies war die erste Wahl nach der Niederschlagung der Protestbewegung und der Einführung neuer Wahlregeln. Mit intensiven Massnahmen wie Plakaten, Dankeskarten und sogar Geschenken versuchten die Behörden nun die Menschen an die Urnen zu locken – all das mit bescheidenem Erfolg.
Sind die Wahlen überhaupt noch in irgendeiner Art und Weise demokratisch?
Viele in Hongkong sehen die Wahlen nicht mehr als demokratisch an. Zwar kann die Bevölkerung noch wählen, doch alle Kandidatinnen und Kandidaten werden zuvor selektioniert. Sie werden auf ihre patriotische Gesinnung überprüft. Eine patriotische Haltung bedeutet, dass sie klar auf der Linie Pekings politisieren müssen. Dies ist die Voraussetzung für eine Kandidatur.
-
Bild 1 von 2. Als Reaktion auf die pro-demokratischen Massenproteste hatte Peking 2021 das Wahlrecht für Hongkong geändert, um sicherzustellen, dass nur «Patrioten» antreten können. Bildquelle: EPA/MAY JAMES.
-
Bild 2 von 2. Nun wird die zweite Gruppe von Abgeordneten nach dem neuen Wahlrecht bestimmt, wobei weniger als ein Viertel der Kandidaten direkt gewählt werden können. Bildquelle: IMAGO/TMHK.
Inwiefern war die Brandkatastrophe nun ein Thema im Wahlkampf?
Die Brandkatastrophe war ein wichtiges Thema im Wahlkampf. Viele Kandidierende forderten Hilfe für die Brandopfer und Aufklärung der Ursachen. Auch über eine Verschiebung der Wahlen wurde spekuliert. Der Regierungschef hielt jedoch am Wahltermin fest. Er argumentierte, ein neues Parlament sei nötig. Dieses solle Beschlüsse zur Aufarbeitung der Katastrophe fassen.
Nach dem Grossbrand reagierten die Behörden nervös auf Forderungen nach Aufklärung. Am Wahltag konnte man beobachten, wie die Behörden versuchten, Proteste abzuwenden. Am Samstag äusserte sich zudem der Chef der Sicherheitspolizei zu Trauerveranstaltungen für die Brandopfer und zog dabei Vergleiche zur grossen Protestwelle von 2019. Der Platz neben der verbrannten Wohnüberbauung, wo um die Opfer getrauert wurde, wurde am Sonntag gemäss lokalen Medien geräumt. Die Pekinger Sicherheitsbehörde in Hongkong hat zudem am Samstag ausländische Journalisten eingeladen und sich über die Berichterstattung beschwert. Gewisse Medien nutzten die Katastrophe, um ihre «antichinesische Agenda» zu befeuern, so der Vorwurf.
Es sieht so aus, als wollten die Behörden den Brand als Tragödie aufgrund von Einzelverfehlungen darstellen. Vertreter aus der Zivilgesellschaft hingegen fordern, dass untersucht wird, ob die Katastrophe aufgrund eines systemischen Versagens zustande kam.
Ist die Angst der Behörden vor einer neuen Protestbewegung denn berechtigt?
Es gibt natürlich eine grosse Unzufriedenheit in einem Teil der Bevölkerung. Ich glaube aber nicht, dass es wieder zu einer grossen Protestwelle kommt, schlicht und einfach, weil die Gesetze in Hongkong so geändert wurden, dass heute sehr drakonische Strafen drohen, wenn man an solchen Protesten teilnehmen würde.