Darum geht es: Russland hat die Geschwindigkeit von Twitter herabgesetzt. Das teilte die russische Medienaufsichtsbehörde am Mittwoch mit. Konkret heisst das: Bilder und Videos werden weniger schnell geladen. Die Begründung: Twitter habe verbotene Inhalte wie Kinderpornografie oder Suizid-Aufrufe trotz mehrfacher Aufforderung nicht gelöscht. Deshalb sei nun der Zugriff auf allen mobilen Geräten und auf der Hälfte der stationären Geräte mit sofortiger Wirkung verlangsamt worden.
«Digitaler Holzhammer» gegen Twitter: SRF-Korrespondent David Nauer bestätigt aus Moskau, dass die Twitter-Geschwindigkeit nun zumindest Schwankungen unterliegt. Und berichtet von einem bemerkenswerten Vorgang: Als die Massnahme bekannt gegeben wurde, waren zunächst auch zahlreiche andere Webseiten nicht erreichbar – darunter diejenige des Kremls. «Russische Experten vermuteten hier einen Zusammenhang. Nämlich, dass die Behörden mit dem digitalen Holzhammer versuchten, gegen Twitter vorzugehen. Und dabei das Internet insgesamt massiv störten.»
Der Staat möchte schlicht und einfach das Internet zensurieren.
Vorgeschobene Begründung: Die offizielle Begründung, Twitter habe sich nicht an Verbote gehalten, hält der Korrespondent für «eindeutig vorgeschoben». Tatsächlich gehe es dem russischen Staat darum, Twitter unter Druck zu setzen. Die Taktik: Der Kurznachrichtendienst soll durch die Drosselung der Datenströme unattraktiver für die Nutzerinnen und Nutzer gemacht werden. «Dies wiederum soll das Management von Twitter veranlassen, ‹flexibler› gegenüber den Forderungen der russischen Regierung zu werden.»
Social-Media-Netzwerke unter Druck: Die Regierung in Moskau bemüht sich derzeit um einen grösseren Einfluss auf die grossen US-Internetplattformen. Gegen Facebook, Twitter und Youtube wurden bereits Geldstrafen verhängt. «Die Behörden wollen die Kontrolle über das Internet und namentlich über die sozialen Netzwerke bekommen. Sie sollen sich den Vorgaben des russischen Staates unterwerfen», sagt Nauer. Letztlich gehe es darum, Zugriff auf Nutzerdaten zu erhalten: von der Identität der Nutzer bis hin zu privaten Nachrichten. Und die Behörden möchten missliebige Informationen löschen können. «Der Staat möchte schlicht und einfach das Internet zensurieren.»
Letzte Bastion der Opposition: Die meisten traditionellen Medien in Russland sind unter Kontrolle des Staates. Regierungskritische Demonstrationen sind faktisch verboten. «Wenn es um politische Diskussionen geht, ist das Netz der freieste Ort in Russland», so der Korrespondent. Doch auch im Internet gerät die freie Meinungsäusserung zunehmend unter Druck, davon zeugen auch zahlreiche Strafverfahren gegen allzu kritische Internetnutzerinnen und -nutzer. «Viele Russinnen und Russen sagen mir, dass es gefährlich geworden ist, sich online zu äussern.»