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Spanien als rettender Hafen Die Angst vor dem Kollaps

Wird Spanien zum neuen Hotspot für Migranten? In der öffentlichen Debatte vermischen sich Fakten und Fantasien. Eine Lagebeurteilung.

Das Wort Notstand hört er nicht gern. José Ignacio Landaluce Calleja bemüht sich um einen souveränen, einen staatsmännischen Auftritt. Er ist Bürgermeister von Algeciras und Senator in Madrid, ein Konservativer. In seiner Stadt sind Tausende Migranten angekommen. Der Bürgermeister geht hin und redet mit ihnen.

Dutzende Menschen auf einem spanischen Rettungsboot
Legende: Die spanischen Seerettungsdienste retten täglich Menschen, die auf kleinen Booten unterwegs waren. Keystone

«Sie alle haben Tausende Nöte, Tausende Schwierigkeiten, Tausende Wegstrecken voller Hindernisse und Gefahren durchgestanden, sie haben körperlich und seelisch einen sehr anstrengenden Weg hinter sich. Darum sind sie zuerst einmal glücklich, hier anzukommen», sagt Landaluce Calleja. Die Leute seien in guter Verfassung und froh, den Boden erreicht zu haben, von dem sie lange geträumt hatten.

«Keinen Tag können wir warten»

Die Stadt sei überfordert, hört man, liest man auch in den spanischen Medien. Landaluce sagt es nicht so, er tönt an, er formuliert indirekt. Jetzt, sagt er, müssten alle handeln. Die Regierung müsse das Problem anpacken, Brüssel müsse helfen. Auch Marokko müsse helfen, um die Migrantenströme zu unterbinden.

Das neue Ziel: Spanien

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Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ist Spanien das neue Hauptziel afrikanischer Migranten. Die Zahl übertrifft mittlerweile die Ankünfte in Italien und Griechenland. Am vergangenen Wochenende hat die spanische Seenotrettung weit über tausend Flüchtlinge gerettet.

Allerdings hat die Gesamtzahl von Flüchtlingen, die über das Meer nach Europa kommen, drastisch abgenommen. Waren es laut IOM von Januar bis Juli 2017 rund 114'000 gewesen, so waren es 2018 im gleichen Zeitraum nur noch knapp 52'000.

(sda)

«Und wir müssen schnell ein Zentrum eröffnen, das die vielen Menschen aufnehmen kann.» Zur Diskussion steht ein alter Teil des Hafens, mit leeren Lagerhallen. «Wir können nicht warten», sagt Landaluce, der Bürgermeister. «Keinen Tag können wir warten.»

Freiwillige Helfer des Roten Kreuzes leisten den Ankömmlingen Erste Hilfe.
Legende: Freiwillige Helfer des Roten Kreuzes leisten wenn nötig den Ankömmlingen Erste Hilfe. Keystone

Das klingt schon dringlich, aber gegenüber einer konservativen Madrider Zeitung ist er noch deutlicher geworden und hat seine Stadt das neue Lampedusa genannt. Diese Affiche ist dramatisch. «Ja, das stimmt», sagt Landaluce Calleja, «das habe ich gesagt, weil wir es mit einem grossen humanitären Problem zu tun haben.» Er betont auch, die Schleppermafia habe die Mittelmeerrouten nach Westen verlegt.

Die Suche nach Lösungen

Übersetzt heisst das: Spanien hat mehr zu gewärtigen. Wir sind erst in der Mitte des Jahres. Innenminister Fernando Grande-Marlaska weiss das, behauptet aber, zu Besuch im Süden, die Lage sei unter Kontrolle. Hilfswerke widersprechen vehement und reden vom Kollaps des ganzen Systems.

ein Polizist der Guarda Civil spielt mit Kind.
Legende: Auch das gehört zum Alltag: ein Polizist der Guarda Civil spielt mit einem der gestrandeten Kinder. Keystone

Der sozialistische Minister, seit zwei Monaten im Amt, zeigt auf seine Vorgänger: «Es fehlte etwas an Voraussicht», sagt Grande-Marlaska. «Die letzte Regierung hätte Ende 2017 schon erkennen können, wie die Migration sich entwickelt. Wir hatten damals schon Rekordzahlen. Dass die weiter steigen würden, war zumindest denkbar», sagt der Minister. Die Zahlen geben ihm Recht.

Migranten steigen in einen Bus
Legende: Nach der ersten Versorgung werden die Migranten in sogenannte Koordinationszentren gebracht. Reuters

Der neue konservative Parteichef Pablo Casado kontert mit Äusserungen, denen genau diese Grundlage fehlt. Spanien brauche jetzt eine Partei, die den Leuten die Wahrheit sage, auch wenn sie politisch unkorrekt klinge. Spanien könne nicht alle Migranten akzeptieren. «Spanien kann unmöglich Millionen von Afrikanern aufnehmen, die nach Europa kommen und hier ein besseres Leben führen wollen», sagt Casado.

Bisher redet man von 24'000 Migranten in diesem Jahr. So sehen die Fakten aus. Ob sich in der öffentlichen Debatte Spaniens Fakten oder Fantasien besser halten, weiss derzeit noch niemand.

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