Wenn sich der Premierminister am Montagabend überraschend an die Nation wendet, bedeutet das selten etwas Gutes. Besonders nicht mitten in einer Pandemie.
«Unsere Spitäler kommen an ihre Grenzen. Die Zahl der Todesfälle ist innerhalb einer Woche um ein Fünftel gestiegen. Ich muss Sie deshalb einmal mehr anweisen, zu Hause zu bleiben. Verlassen Sie das Haus nur noch für lebensnotwendige Verrichtungen wie das Einkaufen von Lebensmitteln, Arztbesuche, Covid-Tests oder wenn sie vor häuslicher Gewalt flüchten müssen», sagte Johnson in seiner Ansprache.
Hochansteckende Variante ist schuld
Es ist für die Britinnen und Briten ein Déjà-vu. Noch vor wenigen Tagen brachte die Impfung gegen Covid-19 grosse Hoffnung. Doch die neue, hoch ansteckende Variante des Coronavirus verbreitet sich auf der britischen Insel rapide und dämpft die Euphorie.
Noch am Sonntag hatte Johnson verkündet, Schulschliessungen stünden nicht zur Debatte. Nun hat die Realität den Premierminister einmal mehr überholt.
Spitäler völlig am Anschlag
Wie die Realität in den britischen Spitälern aussieht, schilderte die Intensiv-Medizinerin Jane Evans gegenüber der BBC. «In den letzten drei Wochen ist die Zahl der Covid-Patienten, die in ein Spital in London eingeliefert wurden, exponentiell gestiegen.»
Immer mehr Patienten müssten intensiv behandelt und beatmet werden. Am letzten Wochenende hätten die Kapazitäten verdoppelt werden müssen, um alle Patienten behandeln zu können, so Evans weiter. Allein am Montag wurden in Grossbritannien fast 59'000 neue Ansteckungen mit dem Coronavirus gemeldet.
Viele britische Spitäler melden, ihre Intensivpflegebetten seien zu 90 Prozent belegt. Nicht-dringende Eingriffe werden längst verschoben. Patienten berichten, dass sie auf Korridoren oder in Ambulanzfahrzeugen warten müssen, bis ein Bett frei wird. Notspitäler werden wieder aufgebaut.
Doch Betten allein genügen nicht. Es fehlt wie in vielen Ländern in erster Linie an Personal, das sich um die Menschen in diesen zusätzlichen Betten kümmern kann.