Elizabeth Warren war eine starke Kandidatin, keine Frage. «I have a plan for everything.» Sie habe für alles einen Plan, das wurde zum inoffiziellen Slogan ihrer Kandidatur. Darüber konnte auch schmunzeln, wer sich die detaillierten Abhandlungen der ehemaligen Universitätsprofessorin nicht antun wollte. «I have a plan», wurde zitiert, auf Pausenplätzen, in der Metro, bei Grillpartys.
Die Ironie jedoch: Ausgerechnet bei einem der wichtigsten Themen des Wahlkampfes war ihr Plan nicht überzeugend. Erst hatte sie lange Mühe zu erklären, wie sie die staatliche Einheitskrankenkasse finanzieren will. Schliesslich schwächte sie ihren Plan ab.
Viele bevorzugen das Original
Das nahmen ihr viele Demokraten vom linken Parteirand übel. Warren verlor auch deshalb mehr und mehr ihren Favoritenstatus. Viele, die ganz links wählen wollten, unterstützten schliesslich das Original, Bernie Sanders. Er ist für sie glaubwürdiger, weil er sich seit 40 Jahren für die exakt gleichen Inhalte einsetzt.
Obwohl Warren zurecht dem linken Parteilager zugerechnet wird, ist sie nicht im gleichen Ausmass ideologisch und kompromisslos wie Sanders. Zudem ist sie in der Partei bestens verankert im Gegensatz zum Aussenseiter Sanders. Aber sie ist eben auch nicht eine gemässigte Politikerin wie Biden. Sie war irgendwie immer etwas zwischen diesen beiden Lagern unterwegs. Das erschwerte es ihr, ein ganz klares Profil zu entwickeln.
Kein Jahr der Frauen
Aber es war nicht nur das. 2020 ist im US-Wahlkampf nicht das Jahr der Frauen. Die «New York Times» stellte sich zwar hinter die beiden Senatorinnen Warren und Amy Klobuchar. Die Frauenkarte, wie Hillary Clinton sie einst nannte, aber stach nicht in einem Mass, wie das für einen Durchbruch nötig gewesen wäre.
Die Gründe sind vielfältig, die Erfahrungen von 2016 spielen wohl bei vielen eine Rolle. Zur Geschlechterfrage sagte Warren heute nur: «Wenn man sagt, es gäbe Sexismus, ist man eine Heulsuse. Aber wenn mir einer sagt, es gebe ihn nicht, antworte ich: auf was für einem Planeten lebst denn du?»
Die Ironie hier: Es war Warren, die dem Last-Minute-Kandidaten Michael Bloomberg an zwei TV-Debatten extrem zusetze. Sie thematisierte die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihn hartnäckig und provozierte unbefriedigende Antworten. Mit einem Geschlechterthema nahm sie Bloomberg also mindestens teilweise aus dem Rennen. Am Schluss profitierte aber nicht sie selber, sondern ein anderer Mann, Joe Biden.
Wer profitiert nun von Warrens Rückzug?
Elizabeth Warren hat sich noch nicht entschieden, welchen Kandidaten sie unterstützen wird: Joe Biden oder Bernie Sanders. Zu erwarten, dass ihre Supporter jetzt alle Sanders wählen, der ihr inhaltlich näher steht, wäre aber vermessen. Warren hat viele gut ausgebildete Frauen mit Universitätsabschluss mobilisiert, bei denen die zweite Wahl eher Biden sein dürfte, zumindest zeigen das gewisse Umfragen.
Dazu kommt: Biden hat nach dem Erfolg vom Super Tuesday das vielzitierte Momentum auf seiner Seite. Und das – spekulative – Narrativ, er könne Trump eher schlagen als Sanders findet bei vielen Demokraten Gehör. Längst nicht immer entscheiden Wähler nur aufgrund von Inhalten.
Tagesschau, 05.03.2020, 19.30 Uhr