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Steigende Coronazahlen Frankreichs Intensivstationen und der Wettlauf mit der Zeit

Die Zunahme an schweren Krankheitsverläufen ist in Frankreich besorgniserregend. Die Spitäler rüsten sich und warnen.

In Frankreich erreichen die Corona-Fallzahlen praktisch täglich neue Höchstwerte. Am 9. Oktober meldeten die Behörden 20'339 laborbestätigte Neuinfektionen, die Positivitätsrate der durchgeführten Coronatests liegt bei 10.4 Prozent.

Besorgniserregend ist im Nachbarland insbesondere die Zunahme der schweren Corona-Krankheitsverläufe. In den vergangenen sieben Tagen mussten in Frankreich über 4800 Personen wegen Covid-19 hospitalisiert werden. Zwar steigt die Kurve der Infektionszahlen nicht so exponentiell an wie im Frühling. Doch die schweren Fälle häufen sich langsam aber stetig.

Viele coronabedingte Lungenentzündungen

In den Ballungszentren sind die französischen Behörden derzeit dabei, alle Ressourcen zu mobilisieren, um einer Überlastung der Intensivstationen vorzubeugen. Auch Bruno Megarbane, Leiter der Intensivstation im Universitätskrankenhaus Lariboisière beim Gare du Nord in Paris, ist besorgt.

Wenn die Zahl der Ansteckungen nicht zurückgeht, fürchte ich, dass Anfang November 100 Prozent unserer Betten ausgelastet sind.
Autor: Bruno Megarbane Leiter Intensivstation Spital Lariboisière, Paris

«Zwei Drittel unserer Betten belegen heute Patientinnen und Patienten mit einer Lungenentzündung, die auf das Coronavirus zurückzuführen ist», erklärt Megarbane. Die Hälfte dieser Patienten könne nicht mehr selbständig atmen und sei in ein künstliches Koma versetzt worden. «Wenn die Zahl der Ansteckungen nicht zurückgeht, dann fürchte ich, dass Anfang November 100 Prozent unserer Betten ausgelastet sind», prognostiziert der Mediziner.

Geheime Bars sind beliebt

Um die rapide Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen, gelten in Frankreich seit heute Samstag strengere Massnahmen. In Regionen mit besonders stark steigenden Fallzahlen wurden Bars und Cafés geschlossen, private Versammlungen auf öffentlichem Grund sind bis auf Weiteres auf zehn Personen beschränkt. Das gilt für die Region rund um Paris, Marseille, Lyon, Lille, Grenoble und Saint-Etienne.

Das wiederum treibt Gastronomen und Gäste buchstäblich in den Untergrund. Geheime Bars in Privatwohnungen schiessen in Frankreich derzeit wie Pilze aus dem Boden.

Ein Teil der Bevölkerung unterschätzt das Risiko.
Autor: Bruno Megarbane Leiter Intensivstation Spital Lariboisière, Paris

Arzt Bruno Megarbane hat dafür nur wenig Verständnis. «Es ist traurig zu sehen, wie gewisse Leute die Regeln zu umgehen versuchen und illegale Partys organisieren. Das zeigt, dass ein Teil der Bevölkerung das Risiko offenbar unterschätzt.»

Aufgrund der steigenden Anzahl Neuinfektionen und Hospitalisationen wurde in der Grossregion Paris inzwischen der «Plan Blanc» ausgelöst: Notwendige Operationen werden verschoben und das Spitalpersonal hat Ferienverbot. Doch es ist fraglich, ob das französische Gesundheitssystem einer zweiten Infektionswelle standhält.

Tagesschau, 10.10.2020, 19:30 Uhr ; 

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