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Stimmung in China Kein Verständnis für Forderung nach mehr Demokratie in Hongkong

Während die Demonstranten im Westen viel Sympathie geniessen, verurteilt die Bevölkerung in China die Proteste.

Hongkonger Polizisten schiessen auf Verbrecher und setzen sich heldenhaft für Gerechtigkeit ein: Das chinesische Staatsfernsehen lobt die Hongkonger Polizei in einem Zusammenschnitt aus Action-Filmen und TV-Aufnahmen mit randalierenden Demonstranten. Die Botschaft ist: «Stoppt die Unruhen!»

Diese Botschaft deckt sich mit der Meinung vieler Chinesen, etwa auf den Strassen im Stadtzentrum von Schanghai: «Hongkong und Macao gehören einfach zu China. Die Leute dort müssen den Befehlen der Zentralregierung Folge leisten», findet ein junger Mann. «Unter den Protestierenden gibt sogar welche, die die Unabhängigkeit wollen. Das können wir nicht erlauben.»

Hongkong und Macao gehören einfach zu China. Die Leute dort müssen den Befehlen der Zentralregierung Folge leisten.
Autor: Mann in Schanghai

Eine Gruppe älterer Herren ist derselben Meinung: «Die Demonstranten handeln gegen die Interessen der Nation. Welches Land will schon, dass es im Innern Chaos gibt?», finden sie. Und auch die junge Frau auf dem Trottoir zeigt wenig Verständnis für die Hongkonger Demonstranten. Sie ist sicher: «Die Nation wird das in den Griff bekommen. Ich glaube an unser Land.»

Propagandamaschine ist angelaufen

Die Passanten wissen über die Proteste Bescheid. Das war jedoch nicht von Anfang an so. Der chinesische Politik- und Kommunikationsexperte Fang Kecheng spricht von zwei Phasen: «In der ersten Phase gab es in den chinesischen Medien kaum Berichte daüber.» Das sei vor allem in den ersten zwei Wochen so gewesen. «Die Proteste waren friedlich», sagt er.

«Doch als es zu gewaltsamen Ausschreitungen kam, lief auch die chinesische Propagandamaschine an. Die chinesischen Medien fokussierten sich auf die Gewalt gegen Polizisten und stellten die Demonstranten einseitig als Randalierer dar.» Diese Darstellung hat sich auch mit der absolut friedlichen Kundgebung vom vergangenen Sonntag nicht geändert.

Bilder von Ausschreitungen dominieren

Die höflichen Demonstranten, die geduldig anstehen und vorbildlich Rettungsgassen bilden, um Ambulanzen durchzulassen, kommen in Chinas staatlich kontrollierten Medien nicht vor. Stattdessen dominieren Bilder von vermummten Randalierern, die Steine werfen und Scheiben einschlagen.

Zwei junge Männer, Zivilisten, neben einigen Polizeibeamten in Hongkong
Legende: Die Proteste liefen vornehmlich friedlich ab. Dennoch zeigt das Staatsfernsehen vor allem Gewaltakte. Keystone

Das bisher berühmteste Beispiel ist der chinesische Reporter, der von Demonstranten am Flughafen festgehalten wurde. Die Aktivisten vermuteten, er sei ein Spion, und banden ihm sogar die Hände zusammen. Auch dafür hätten die chinesischen Medien eine passende Erklärung, so Fang Kecheng: «Sie sagen, die Demonstrationen seien vom Ausland beeinflusst, sogar die CIA soll ihre Hände im Spiel haben und die Aktivsten bezahlt haben.»

Erinnerung an frühere Erniedrigungen

Die USA würden China schaden wollen, denken viele Chinesen. Und der Westen gönne China den internationalen Aufstieg nicht: «Diese Argumente passen in die kollektive Erinnerung der Chinesen des ‹Jahrhunderts der Erniedrigung› – das kommt auch prominent in den Schulbüchern vor», so Fang Kecheng. Das «Jahrhundert der Erniedrigung» bezeichnet die Zeit des Niedergangs vom 19. Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts, als China von Kolonialmächten dominiert und gedemütigt würde.

Die chinesischen Medien sagen, die Demonstrationen seien vom Ausland beeinflusst, sogar die CIA soll ihre Hände im Spiel haben und die Aktivsten bezahlt haben.
Autor: Fang Kecheng Politik- und Kommunikationsexperte

So kam es in China auch gar nicht gut an, als Hongkonger Demonstranten die chinesische Flagge ins Meer warfen. Die Staatsmedien reagierten mit einer Social-Media-Kampagne, in der sich User als Beschützer der chinesischen Flagge inszenierten. Für die Unzufriedenheit der Hongkonger, für ihren Kampf für mehr demokratische Rechte, bleibt da kein Platz.

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