Die neue italienische Regierung aus Lega und Cinque Stelle stellt in ihrem Koalitionsvertrag das Dublin-Abkommen in Frage. Wortwörtlich steht in dem Dokument:
Das Scheitern des derzeitigen Systems, wie die Migrationsflüsse gehandhabt werden, birgt das Risiko, dass die Schengen-Abkommen in Frage gestellt werden. (…) Die Neuverhandlung des Dublin-Reglements ist notwendig.
Vor allem der künftige mögliche Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini möchte die Dublin-Vereinbarung am liebsten neu verhandeln – zugunsten von Italien. Laut SRF-Italien-Korrespondent Philipp Zahn heisst dies: weniger Asylanträge, mehr Abschiebungen und vor allem eine Neudefinition der «Erstaufnahme».
«Erstaufnahme»: Dieses Wort im Dublin-Abkommen hat bislang dafür gesorgt, dass die Italiener sich um die meisten Flüchtlinge und Asylsuchende kümmern müssen, die übers Mittelmeer kommen. «Gerade das aber hat auch der Schweiz erlaubt, viele Asylanträge abzuweisen – all jene derer, die es schon einmal in Italien versucht und es bis an die Grenze bei Chiasso geschafft haben. Eine Neuverhandlung wäre zum Nachteil für die Schweiz.»
Dank Dublin kann die Schweiz viele Flüchtlinge wieder abschieben. Italien ist dabei der wichtigste Partner. Von den Gesuchen um Rücküberstellungen von Dublin-Fällen gingen in den vergangenen zwei Jahren am meisten nach Italien, wie die Zahlen des Staatsekretariats für Migration zeigen:
Schweizer Asylpolitiker reagieren denn auch mit Verständnis für Italien. Balthasar Glättli von den Grünen weist darauf hin, dass die Schweiz jahrelang von Dublin profitiert habe. Für ihn steht das System nur schon zur Debatte, wenn Italien dahin zurückkehrt, Migranten nicht zu registrieren.
CVP-Präsident Gerhard Pfister hält zudem die Forderungen für vollkommen berechtigt: «Italien verlangt etwas, was wir immer verlangt haben: dass man diese Migranten solidarisch innerhalb von Europa verteilt.»
Für Kurt Fluri von der FDP hätte ein Umsetzung der Pläne vor allem auch Auswirkungen auf die Schweiz, wenn der Flüchtlingsstrom wieder anschwellen sollte.
SVP-Nationalrat Andreas Glarner stellt deshalb Forderungen, falls die neue Regierung in Italien ihre Pläne auch tatsächlich umsetzen sollte: «Dann müsste die Schweiz natürlich mit einem grossen Ansturm rechnen. Was zur Folge hätte, dass wir die Grenze befestigen und Grenzkontrolllen ausdehnen müssten.»