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Syrisches Verfassungskomitee Politischer Ausweg aus der syrischen Tragödie?

In Genf ringen Verteter von Syriens Regierung und der Opposition weiter um eine Lösung. Die Aussichten sind nicht rosig.

Vor dem Genfer Palais des Nations haben sich ein paar Dutzend Demonstranten versammelt, hauptsächlich Kurden. Einige traurig, einige wütend. Sie halten Bilder von getöteten Angehörigen in die Kameras. «Stoppt den Krieg in Syrien», lautet ihre Botschaft.

Drinnen im Uno-Sitz ist die Atmosphäre eisig. Mit grimmigen Gesichtern starren die Vertreter von Syriens Regierung und jene der Opposition aneinander vorbei. Uno-Vermittler Geir Pedersen betont: «Ich weiss, wie schwierig dieser Moment für Sie alle in diesem Raum ist.»

Männer in Saal sprechen miteinander.
Legende: Die Stimmung scheint ausgelassen, aber die Fronten am Treffen sind verhärtet. Reuters

Immerhin sitzen sie nun endlich zusammen in einem Raum, sollen zum ersten Mal direkt und Auge in Auge miteinander verhandeln, und zwar über eine neue, eine demokratische Verfassung für Syrien.

Wie soll die neue Verfassung aussehen?

Noch liegen die Positionen meilenweit auseinander. Der Chefunterhändler der syrischen Regierung, Ahmad Kuzbari, macht klar, dass die Basis der neuen Verfassung die Bisherige sein soll, jene von 2012. Sie sei noch immer zeitgemäss.

Bloss – Sie ist weder demokratisch noch rechtsstaatlich. Über eine neue Verfassung könne man zwar reden, meint Kuzbari, meint aber damit bestenfalls Retuschen an der alten.

Europa dürfte erst wieder gefragt sein, wenn es um die Finanzierung des Wiederaufbaus des zerstörten Landes geht – denn den können sich weder das Assad-Regime noch Russland oder der Iran leisten.

Der Chefunterhändler der Opposition, zusammengefasst in der «Nationalkoalition», Hadi al-Bahra, will hingegen etwas völlig Neues. Ein Sieg im Krieg sei kein Sieg für Syrien, sagt er. Ein solcher verlange Frieden und Gerechtigkeit im Land.

Zwei Leute schütteln sich die Hände.
Legende: Das Vetorecht des Regmines in Damaskus könnte einen Fortschritt verhindern. Reuters

Als wäre eine Lösung nicht schon schwierig genug, so wird sie durch die Einmischung von Drittstaaten zusätzlich erschwert. Die Aussenminister von Russland, des Irans und der Türkei luden sich selber zum Auftakt der Verhandlungen in Genf ein. Sergej Lawrow, der russische Aussenminister, beteuert zwar, dass die Syrer selber eine Lösung finden müssten.

USA und Europa auf Tauchstation

Tatsächlich aber stärken Moskau und Teheran in den Verhandlungen ganz entschieden dem ohnehin wieder erstarkten Regime von Baschar al-Assad den Rücken. Derweil sind die USA und die Europäer weitgehend auf Tauchstation. Washington sandte nicht den Aussenminister, sondern lediglich seinen Syrien-Beauftragten Joel Rayburn nach Genf.

Der unterstützte zwar verbal den nun anlaufenden Verhandlungsprozess – aber die USA taten nichts, um ihren jahrelangen Verbündeten, den Kurden, einen gebührenden Platz am Verhandlungstisch zu sichern. Europa dürfte erst wieder gefragt sein, wenn es um die Finanzierung des Wiederaufbaus des zerstörten Landes geht – denn den können sich weder das Assad-Regime noch Russland oder der Iran leisten.

Vetorecht auf allen Seiten

In Genf werden nun, möglicherweise wochenlang, je fünfzig Vertreter des Regimes, fünfzig der Opposition und fünfzig von der Uno ausgewählte Vertreter der Zivilgesellschaft zusammensitzen. Eine neue Verfassung, welche die Basis für faire, von den Vereinten Nationen überwachte Neuwahlen wäre, kommt jedoch nur zustande, wenn drei Viertel des Verfassungskomitees sie gutheissen.

Das heisst: Im Prinzip haben alle drei Gruppen ein Vetorecht. Das klingt fair, bevorteilt aber jenes Lager, das Regime in Damaskus, das gar keine politische Veränderung möchte. Denn ohne Einigung in Genf bleibt erstmal alles beim alten.

Trotzdem gibt sich UNO-Generalsekretär Antonio Guterres optimistisch: «Das Verfassungskomitee, das nun seine Arbeit aufnimmt, kann und muss der Anfang eines politischen Auswegs aus der syrischen Tragödie sein».

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