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Teil-Rückzug der US-Truppen «Die USA wollen Iran in Schach halten»

200 Soldaten will Trump in Syrien belassen. Israel kann aufatmen, die Kurden hingegen nicht, so ein Sicherheitsexperte.

Gross war die Aufregung kurz vor Weihnachten, als US-Präsident Donald Trump per Tweet ankündigte, sämtliche Truppen aus Syrien zurückzuziehen. Nun relativiert die Regierung: Die USA würden nun doch mit rund 200 Soldaten in Syrien präsent bleiben, erklärte die Sprecherin des Weissen Hauses.

Das ist ein Zehntel der ursprünglich in Syrien stationierten US-Soldaten. Sicherheitsexperte Guido Steinberg ist überzeugt: Diese 200 Mann können durchaus noch etwas im Land bewirken. Er geht davon aus, dass diese auf der Basis Al-Tanf an der irakisch-syrischen Grenze stationiert sind. US-Sicherheitsberater John Bolton sei es ein grosses Anliegen gewesen, diese Militärbasis zu bewahren. «Und wenn sich die These mit Al-Tanf bewahrheitet, geht es den USA im Südosten Syriens vor allem darum, Iran in Schach zu halten.»

Karte von Syrien, Jordanien und Irak, eingezeichnet al-Tanf
Legende: Die USA unterhalten in der Nähe des syrischen Grenzübergangs Al-Tanf eine Militärbasis. SRF

Die Iraner spielen in Syrien eine wichtige Rolle. Sie kommandieren Milizen, die aus Libanesen, Afghanen, Irakern und Iranern bestehen und das Assad-Regime unterstützen. In den letzten zwei Jahren haben die iranischen Milizen versucht, eine Landverbindung zu schaffen: Vom Iran über den Irak nach Syrien bis zur israelischen Grenze, um militärisches Gerät und Truppen zu verschieben. «Und diese Landverbindung wird nur an einer Stelle empfindlich gestört: An der Al-Tanf-Basis», so Steinberg.

Guido Steinberg

Islamwissenschaftler an der SWP Berlin

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Steinberg ist Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Bis 2005 arbeitete er als Terrorismusreferent für die deutsche Regierung. Jetzt forscht er zur Politik des Nahen Ostens und zum islamistischen Terrorismus.

Steinberg hält es für möglich, dass die 200 Soldaten ausreichen, um Iran davon abzuhalten, die Landverbindung weiter auszubauen. Die europäischen Verbündeten – Frankreich und Grossbritannien – haben in den letzten Wochen wiederholt gesagt, dass sie bereit wären, Spezialkräfte in Syrien zu belassen, wenn auch die USA weiterhin ein Kontingent dort stationieren. «Wir sprechen also von einigen hundert Mann mehr.»

Flugzeuge auf einem Flugzeugträger im Persischen Golf
Legende: Die in Syrien stationierten US-Soldaten können Luftangriffe vom Persischen Golf her anleiten. Reuters

Zudem seien die US-Soldaten in der Lage, Luftangriffe von amerikanischen Flugzeugen anzuleiten, die im Persischen Golf oder in der Türkei auf Flugzeugträgern stationiert sind. «Das kann bedeuten, dass die Iraner das Ziel, eine Landverbindung zu schaffen zwischen ihren Einsatzgebieten, nicht erreichen können.» Und darum scheine es der Trump-Administration zu gehen, glaubt Steinberg.

Wir sehen in den verbleibenden US-Soldaten das Ergebnis israelischer Lobby-Arbeit.

Israel hat die USA dazu aufgefordert, Truppen in Syrien zu belassen. «Die Israelis fühlen sich von den Iranern bedroht», so Steinberg. Diese bauen seit Jahren an einer militärischen Infrastruktur in Syrien: Sie besitzen Waffenfabriken und Raketenbasen, die sie ausbauen möchten – nach dem Muster der libanesischen Hisbollah. «Wir sehen das Ergebnis der israelischen Lobby-Arbeit.» Aber die USA stehen den Israelis so freundlich gegenüber, dass sie automatisch berücksichtigen, was in Tel Aviv gedacht werde, erklärt der Experte.

Vier sitzende Männer mit Waffen pausieren vor einem Gebäude
Legende: Die kurdischen Kämpfer im Norden können nicht aufatmen – sie müssen befürchten, dass sie von der Türkei angegriffen werden, so Steinberg. Keystone

Dass 200 US-Soldaten in Syrien bleiben sollen, ist also vor allem eine gute Nachricht für Israel. Doch die Kurden im Norden können nicht aufatmen: «200 Soldaten werden nicht genügen, die Kurden vor den Türken zu schützen», so Steinberg. Wenn die 200 Mann, wie er annimmt, in Al-Tanf stationiert sind, werden die Basen im Norden geräumt. «Dann haben die Türken weitgehend freie Hand.»

Die Türkei müsste zwar sicherlich mit dem Regime in Syrien und vor allem mit den Russen verhandeln. Aber die Kurden werden auch nach dem Teil-Abzug in einer gefährlicheren Umgebung leben, schätzt Steinberg. «Sie müssen befürchten, dass sie angegriffen werden.» Oder, dass sie sich zurück in die Obhut des Regimes in Damaskus begeben müssen.

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