In Rom treffen sich zurzeit die Aussenminister der Anti-IS-Allianz. Es geht um die Frage, wie der IS, der immer noch aktiv ist, besser bekämpft werden kann. Sicherheitsexperte Guido Steinberg erläutert, wie sich die Rolle der USA diesbezüglich verändert hat.
SRF News: Wie bedrohlich ist der sogenannte Islamische Staat zurzeit noch?
Guido Steinberg: Die Terrororganisation IS ist immer noch da. Wir haben das am 2. November 2020 mit dem Anschlag in Wien gesehen. Das gab eine deutliche Verbindung an Kontakten zum IS.
In Afghanistan, auf den Philippinen, im Irak und Syrien, im Kaukasus, in Somalia, also in Afrika insgesamt ist der IS noch aktiv.
Es hat auch eine ganze Menge Anschläge in Frankreich gegeben, allein drei im letzten Herbst, einen kleinen in Deutschland. Und dazu kommt, dass der IS auch in aller Welt sehr aktiv ist. Das sind meist kleine Gruppen von nur wenigen hundert Mann, die aber viele Menschen töten. In Afghanistan, auf den Philippinen, im Irak und Syrien, im Kaukasus, in Somalia, also in Afrika insgesamt ist der IS noch aktiv. Das ist immer noch eine starke Organisation.
Vor wenigen Jahren hatte der IS eine grosse Anziehungskraft – vor allem auf junge Männer aus Europa, die in den Dschihad ziehen wollten. Zieht dieser Reiz immer noch?
Ein Teil des Reizes ist verloren gegangen, weil der IS mit dem Argument rekrutiert hat, dass er nicht nur eine attraktive Ideologie hat, sondern die auch in einem Staatsgebiet in die Tat umsetzt. Er hat also mit seinem Erfolg im Irak und Syrien, wo er ja grosse Teile der Länder eingenommen hat, Werbung gemacht. Das kann er heute nicht mehr. Trotzdem hat er in dieser Zeit so viele neue Anhänger gewonnen, dass von denen noch einige übrig sind. Viele sind im Irak getötet worden, auch in Syrien. Einige sind immer noch in Gefangenschaft. Viele sind auch hier in Europa in Haft gelandet. Aber wir müssen damit rechnen, dass es auch in Europa immer noch einige 1000 Anhänger gibt.
Die Gefahr ist nicht gebannt. Beim Treffen in Rom heute ging es darum, wie man den IS noch stärker bekämpfen könnte. Was bräuchte es aus Ihrer Sicht dazu?
In Rom geht es vor allem darum, dass die Amerikaner ihre Rolle etwas ändern wollen. Sie führen diese Anti-IS-Koalition an und sie leiten auch die meisten Massnahmen. Aber die Amerikaner wollen mehr Beteiligung, vor allem der Europäer im Nahen Osten, weil die USA eine neue Weltpolitik wollen. Sie wollen sich auf China konzentrieren, auf Russland, auf den Pazifik. Und sie wollen raus aus Afrika und dem Nahen Osten. Dazu brauchen sie mehr Hilfe von Frankreich, von Grossbritannien, von Deutschland, aber auch von kleineren Ländern in der EU und in der NATO. Das werden sie einfordern.
Die USA verlangen schon seit Jahren mehr Engagement, während Deutschland sich immer wieder weigert, an wichtigen Aktionen teilzunehmen.
Ist die europäische Seite bereit, sich stärker zu engagieren?
Ja, es gibt einige Länder, die sind dazu bereit, vor allem Frankreich. Das grosse Problem für die Amerikaner ist immer Deutschland. Sie verlangen schon seit Jahren mehr Engagement, während Deutschland sich immer wieder weigert, an wichtigen Aktionen teilzunehmen. Wir haben das zum Beispiel im Irak und Syrien gesehen, wo Deutschland zwar dabei war, aber mehr mit symbolischen Massnahmen. Und es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Amerikaner auch jetzt wieder von den Deutschen erwarten, dass sie beispielsweise einen der Einsätze in Afrika übernehmen. Aber Deutschland scheint da keine Bereitschaft zu zeigen.