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Tötung von General Soleimani «Das ist eine Kriegserklärung der USA»

Mit der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani versuche US-Präsident Trump, Stärke zu markieren – und vom Impeachment abzulenken, sagt der USA-Kenner Stephan Bierling.

Stephan Bierling

USA-Experte

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Bierling lehrt seit 2000 als Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg und leitet die Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen. Er ist als Analyst der US-Innen-, Wirtschafts- und Aussenpolitik für diverse Medien tätig.

SRF News: Was steckt hinter der Tötung Soleimanis durch die USA?

Stephan Bierling: Die Eskalationsspirale dreht sich seit mehr als einem Jahr. Die Tötung Soleimanis ist dabei bislang der Höhepunkt. Es ist quasi eine Kriegserklärung der USA an das iranische Regime.

Soleimani galt als eher mässigende Figur. Ist man sich in den USA bewusst, dass sich die Eskalationsspirale nach seiner Ausschaltung nun viel schneller drehen könnte?

Durchaus. Soleimani war in der iranischen Bevölkerung sehr angesehen und galt als rechte Hand des mächtigsten Manns im Land, Ajatollah Ali Chamenei. Er wurde sogar als möglicher nächster Staatspräsident gehandelt. Die USA wussten also sehr genau, dass die Ausschaltung Soleimanis die Lage massiv eskalieren lassen würde.

Muss man jetzt mit Krieg rechnen?

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«Die Amerikaner werden auf keinen Fall mit einer grossangelegten Bodenoffensive in Iran einmarschieren», sagt Stephan Bierling. Doch sei die Wahrscheinlichkeit für andersartige militärische Auseinandersetzungen stark gestiegen. Es seien Vergeltungsschläge der Iraner gegen US-Einrichtungen in der Region zu erwarten – «und darauf werden die Amerikaner wiederum mit Drohnenschlägen oder Cruise Missiles reagieren.»

Wie ist diese bewusste Eskalation aus Sicht von US-Präsident Trump zu erklären?

Schon die Präsidenten George W. Bush und Barack Obama hatten Soleimani zuoberst auf der Abschussliste, schreckten aber davor zurück, ihn zu töten, weil sie keinen Krieg mit Iran riskieren wollten. Trump verfolgte bislang eine sehr widersprüchliche Politik gegenüber Iran. Sie beinhaltete Sanktionen, Drohungen, aber auch Annäherungsversuche.

Ob Trump alle möglichen Folgen durchgerechnet hat, ist fraglich.

Zunehmend galt Trump deshalb als Papiertiger, der zwar laut bellt, aber nichts tut. Das hat die US-Position in der Region massiv beschädigt: Saudis und Israelis wandten sich zunehmend von den USA ab. Das soll sich jetzt ändern, indem Trump Stärke demonstriert. Ob er allerdings durchgerechnet hat, welche Folgen das haben kann, ist fraglich. Er agiert immer sehr Impuls-getrieben.

Hat der Schritt einen Zusammenhang mit dem gegen Trump laufenden Amtsenthebungsverfahren?

Das kann man nicht ausschliessen. Trumps Entscheidungen sind meist weniger strategischer Natur als vielmehr darauf ausgerichtet, ihn populärer zu machen. Es geht ihm vor allem um seine Selbstglorifizierung.

Trump hüllt sich in die US-Flagge, um innenpolitisch unangreifbar zu sein.

Mit dem Impeachment-Verfahren steht er vor den schwersten Wochen seiner Amtszeit. Da ist es durchaus denkbar, dass sich Trump als der grosse, starke, einigende Präsident und als Retter im Kampf gegen Iran darstellen will. Bezeichnenderweise hat er nach dem Angriff bloss einen einzigen Tweet verschickt – die US-Flagge. Er hüllt sich sozusagen in die amerikanische Flagge, um innenpolitisch unangreifbar zu sein.

Welche Folgen hat das Ganze für die innenpolitische Debatte in den USA in den anstehenden Monaten des Wahlkampfs?

Trump wird die Debatte dominieren. Es wird nicht um seine schweren Verfehlungen und die Impeachment-Debatte gehen, auch nicht um die Auswahl des demokratischen Herausforderers Trumps.

Trump saugt den ganzen Sauerstoff aus der innenpolitischen Debatte.

Mit der Eskalation im Streit mit Iran saugt Trump den ganzen Sauerstoff aus der innenpolitischen Debatte. Die Frage ist, ob das aufgeht: Sollte es zu grösseren Anschlägen auf US-Basen oder gar in den USA kommen, könnte Trump womöglich sein Versprechen nicht halten, die Amerikaner nicht in neue Kriege zu führen.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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