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Trauer um Fussballlegende «Pelé war der erste Fussballstar des TV-Zeitalters»

Mit Pelé hat die Fussballwelt eine ihrer allergrössten Legenden verloren. Edson Arantes do Nascimento war wahrscheinlich der erste globale Fussballstar und auch für Fans ein Idol, die ihn gar nie spielen sahen. Fussballhistoriker Michael Jucker erklärt im Gespräch das Phänomen Pelé und erzählt, wieso der Weltstar Mitglied beim FC Zürich wurde.

Michael Jucker

Sporthistoriker

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Der Sporthistoriker ist Co-Leiter des FCZ-Museums und Projektleiter der digitalen sporthistorischen Plattform «Swiss Sports History» der Universität Luzern. Jucker studierte Geschichte an den Universitäten Zürich und York.

SRF News: Eigentlich hat nur noch die Grosseltern-Generation Pelé spielen sehen. Wieso konnte sich dieser Mythos um ihn dennoch halten?  

Michael Jucker: Pelé wurde sehr jung Weltmeister und war schon in jungen Jahren ein sehr kompletter Fussballer, stach durch seine elegante Spielweise hervor und zelebrierte Fussball als Kunstform. Und als einziger Fussballer überhaupt wurde er dreimal Weltmeister. Wichtig ist aber auch die mediale Fussball-Berichterstattung, die sich bei Pelés erstem Weltmeistertitel 1958 in Schweden veränderte. Es war das erste Turnier, das grossflächig am TV übertragen und zu einem Fernsehereignis wurde. Pelé war mit seinem eleganten Spielstil der Star des Turniers. Sein ikonisches Bild mit dem WM-Pokal ging um die Welt.

Und er war auch der erste dunkelhäutige Fussballstar und wurde für viele People of Color zu einem grossen Vorbild. Und er ist dies ja bis heute für Spieler wie Mbappé oder vor allem Neymar, die Pelé auf ihren sozialen Kanälen würdigten, obwohl sie ihn nie spielen sahen.   

War Pelés Status mit einem Superstar von heute vergleichbar?

Pelé wurde auf jeden Fall als Star wahrgenommen. Er erhielt in Brasilien sehr lukrative Verträge für Plakat- und TV-Werbung. So machte er zum Beispiel Werbung für VW, Subway, Seifen und später für Viagra. Er wurde zum vermarkteten Gesicht für den Fussball in Brasilien und auf der ganzen Welt. Man kann wohl sagen, dass er der erste Fussballstar des TV-Zeitalters war.

Pelé in Tränen nach dem WM-Final 1958.
Legende: Fussball für die grosse Masse: Der 17-jährige Pelé ist nach dem 5:2-Sieg im WM-Final 1958 gegen Gastgeber Schweden völlig aufgelöst. KEYSTONE/AP Photo

Wie sahen damals die finanziellen Dimensionen aus?

Pelé verdiente gut bei seinem Verein Santos und hatte später zum Ausklang seiner Karriere auch einen guten Vertrag in den USA bei Cosmos New York. Und vor allem vergoldete Pelé seine Fussballer-Rente. Er hatte weiter lukrative Werbeverträge und liess sich seine öffentlichen Auftritte, zum Beispiel an Benefiz-Spielen, gut bezahlen. Ausserdem fungierte er auch als Botschafter, wie etwa für die WM in Brasilien.

Sepp Blatter und Pelé präsentieren eine übergrosse Kreditkarte.
Legende: Werbeikone auch nach der Karriere: 1998 präsentierte Pelé mit dem damaligen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter eine Kreditkarte mit seinem Bild. Reuters

1968 hatte Pelé sein einziges Gastspiel als Fussballprofi in der Schweiz. Bei einem Freundschaftsspiel gegen den FC Zürich.

Pelés FC Santos war damals auf Europa-Tournee und spielte gegen zahlreiche hochkarätige Teams. Santos gewann alle Matches, ausser gegen den FCZ setzte es eine 4:5-Niederlage ab. Es war ein regnerischer Juni-Tag und es kamen nur 16'000 Zuschauer in den Letzigrund. Finanziell lohnte sich das Ganze für den FCZ nicht wirklich. Santos bekam für seinen Auftritt 120'000 Franken, was damals schon sehr viel Geld war. Pelé wohnte für das Spiel bei einer Familie in Horgen, zu der er offenbar auch später noch Kontakt hatte.

Mit dem FCZ verbindet Pelé noch eine andere Geschichte.

Genau. Pelé wurde später sogar FCZ-Mitglied. Das fädelte der frühere FCZ-Mediensprecher Guido Tognoni, der später bei der Fifa war, ein. In der Saison 1998/1999 kam ein Fax auf der FCZ-Geschäftsstelle mit dem Mitgliedschaftsantrag von Pelé an. Zur grossen Freude von Präsident Sven Hotz, der Pelé den Mitgliederbeitrag von 150 Franken grosszügigerweise erliess.

Pelé und Diego Maradona.
Legende: Wohl die zwei grössten Fussballer: Pelé und Diego Maradona. Hier auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1987 vor einem Freundschaftsspiel zwischen Argentinien und Italien im Hardturm-Stadion in Zürich. KEYSTONE/Str

Zum Schluss die unumgängliche Frage: Wer war besser? Pelé oder Maradona?

Ich bin SSC Napoli-Fan, weshalb mir Maradona natürlich näher ist. Von dem, was Pelé schon als junger Fussballer erreicht hat und was Maradona leistete, kann man sagen, dass beide gleichwertige Fussballgötter sind. Rein fussballerisch waren beide zudem sehr komplett. Und sie kamen aus ärmlichen Verhältnissen. Das ist sicher auch ein Grund, weshalb sie zu so grossen und weltumspannenden Ikonen wurden. Sie haben vielen Jungen gezeigt, dass Fussball den sozialen Aufstieg ermöglichen kann.

Das Gespräch führte Philipp Schneider.

Tagesschau, 30.12.22, 12:45 Uhr ; 

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