Die USA waren zwar nie Musterknabe in Sachen Menschenrechte. Doch sie traten zumindest grundsätzlich für sie ein. Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus hat sich das fundamental geändert. Ein Gespräch mit der für die USA zuständigen Direktorin bei Amnesty International.
Bisher lag der Fokus von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International auf Ländern wie Nordkorea, Iran, China oder Russland. Nun rücken auf einmal die USA ins Scheinwerferlicht. Weshalb?
Amanda Klasing: Menschenrechtsverletzungen gab es auch in den Vereinigten Staaten immer schon. Was sich aber verändert hat, ist, dass sich die aktuelle US-Regierung den Menschenrechten überhaupt nicht mehr verpflichtet fühlt. Weder zu Hause noch in der Welt. Im Gegenteil: Sie versucht, internationale Abkommen zu den Menschenrechten auszuhöhlen und Organisationen, die sich dafür einsetzen, zu schwächen.
Wo sehen Sie in den USA selber Menschenrechtsverletzungen?
Zum Beispiel bei der öffentlichen Unterstützung von Hilfsbedürftigen. Der Zugang zu elementaren Dingen wie Essen, Obdach, medizinische Versorgung oder Bildung wird eingeschränkt. Am schlimmsten aber ist die Anti-Migrationspolitik. Da werden Gemeinschaften und Familien auseinandergerissen. Menschen werden ohne jedes Verschulden verhaftet oder deportiert. Maskierte Polizisten verhaften Leute ohne Haftbefehl und sperren sie ein.
Viele Menschenrechtsverstösse stehen also im Zusammenhang mit der Migration. Aber gerade Trumps Abschiebungspolitik ist, gemäss Umfragen, immer noch ziemlich populär. Billigt die US-Bevölkerung das harte Vorgehen?
Eine Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikanern, wenn auch eine schrumpfende, bekennt sich grundsätzlich weiterhin zu den Menschenrechten. Und setzt sich im persönlichen Umfeld dafür ein.
Ich bin überrascht, wie radikal sich die jetzige Führung abwendet vom Menschenrechtsgedanken.
Aber als Wählerinnen und Wähler verhalten sich viele anders. Allerdings muss man auch feststellen: Als sehr viele Trump wählten, glaubten sie, er werde nur gegen kriminelle und gefährliche Zuwanderer mit harter Hand vorgehen.
Wendet sich die Trump-Regierung grundsätzlich gegen die Menschenrechte und will sie einen autoritären Staat errichten?
Ich bin überrascht, wie radikal sich die jetzige Führung vom Menschenrechtsgedanken abwendet, auch in der Aussenpolitik. 80 Jahre setzten sich die USA weltweit ein für Menschenrechtsabkommen und Verpflichtungen. Da bestand ein Konsens zwischen Republikanern und Demokraten. Doch die Trump-Regierung distanziert sich davon.
Wie sehr steht auch die Medienfreiheit unter Druck?
Die Trump-Regierung setzt die Macht der Behörden ein, um Medienunternehmen wirtschaftlich unter Druck zu setzen. Neulich bezeichnete Trump die Ermordung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi durch das saudische Regime als Nebensächlichkeit. Da läuft es einem kalt den Rücken herunter. Zumal die USA zuvor jahrzehntelang weltweit für die Pressefreiheit eintraten. Das gilt nicht mehr.
Neben China und Russland befinden sich nun auch die USA auf einem problematischen Kurs, also die drei mächtigsten Staaten der Welt. Ist der Kampf für die Menschenrechte derzeit ein verlorener?
Ich weigere mich, das so zu sehen. Wir erleben gerade eine düstere Zeit. Aber über kurz oder lang werden die Menschen wieder kämpfen für ihre Freiheit und ihre Würde. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass die Ära der Menschenrechte vorbei ist. Am Ende sind es mehr Menschen, die sich für die Menschenrechte einsetzen als solche, die sich dagegen wenden.
Das Gespräch führte Fredy Gsteiger.