Mit der Waffenruhe in Gaza vollbrachte US-Präsident Donald Trump, was der Weltdiplomatie zwei Jahre lang nicht gelungen war. Zwar ist die Waffenruhe fragil, eine Friedensordnung nicht in Sicht. Aber die Geiseln sind zurück in Israel und die Menschen im Gazastreifen nicht mehr im Bombenhagel.
Lässt sich dieser Erfolg auf den Ukraine-Krieg übertragen?
Die Frage schwebt heute über dem Treffen der Verteidigungsministerinnen und -minister der Nato in Brüssel – und über dem Weissen Haus in Washington, wo Trump am Freitag seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodimir Selenski empfangen will. Der Gaza-Deal mache ihm «Hoffnung», sagte Selenski.
Trumps Rezept
Tatsächlich trug Trumps Persönlichkeit entscheidend zur Gaza-Einigung bei. Getrieben vom Wunsch, als Friedensstifter in die Geschichte einzugehen, schob er traditionelle Rücksichtnahmen beiseite und setzte Israel unter Druck.
Für den Druck auf die Gegenseite, die Hamas, kam Trump der Hang zur Kumpanei zugute. Über Jahre hatte er persönliche Beziehungen zu Präsidenten, Emiren und Prinzen im Nahen Osten aufgebaut. Sein Kumpel Recep Tayyip Erdoğan, der türkische Präsident, war einer der Männer, die auf die Hamas einwirken konnten.
Zur Waffenruhe trugen aber auch die Interessen der Kriegsparteien und die Machtverschiebungen im Nahen Osten bei.
Sowohl die israelischen Streitkräfte als auch die Hamas sind ausgezehrt. Im Nahen Osten ist es den USA besser als in anderen Weltregionen gelungen, die Vormachtstellung zu verteidigen. Iran, der Gegenspieler, ist geschwächt. Das wiederum missfällt China und Russland, die mit dem Iran eine Anti-USA-Achse bilden.
Was sich nicht übertragen lässt
Es ist diese Konstellation, die sich nicht auf Russlands Krieg gegen die Ukraine übertragen lässt – auch wenn Trump um fast jeden Preis Frieden stiften will.
Wie mit den nahöstlichen Autokraten setzte er auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf Kumpanei. Putin seinerseits lobte Trump als «klugen» und «pragmatischen» Mann und stellte einen «Weg zum Frieden in der Ukraine» in Aussicht.
Die Kumpanei versetzte Selenski in Panik. Trump erweckte den Anschein, als wolle er Putin so ziemlich jeden Wunsch erfüllen. Die Ukraine, mahnte er, werde einen Teil ihres Territoriums an Russland abtreten müssen.
Doch irgendwann schien Trump zu erkennen: Putin will keine Zugeständnisse, er will die Ukraine unterwerfen. Das Angebot, die Waffen ruhen zu lassen und sich mit Selenski zu Verhandlungen zu treffen, schlug er aus.
So stand Trump in der Kritik, zu wenig Druck auf Putin auszuüben. Freilich sind die USA in Osteuropa, anders als im Nahen Osten, kein übermächtiger Akteur. Sie können Russland noch so sehr sanktionieren und der Ukraine noch so viele Waffen liefern: Russland hat mit China einen ebenfalls mächtigen Verbündeten an seiner Seite. Er sieht den Ukraine-Krieg als Mittel, um den Westen zu schwächen.
Ukraine hofft auf Kurswechsel
In Brüssel und Washington wird die Ukraine auf die Lieferung von Tomahawk-Marschflugkörpern drängen. Einmal mehr erhofft sie sich von einem zusätzlichen amerikanischen Waffensystem militärische Vorteile – und dass Trump endlich die Rücksichtnahme auf seinen Kumpel Putin beiseiteschiebt.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass Trump Selenski entgegenkommt. Damit würde er jedoch nichts an der Interessenlage im Ukraine-Krieg ändern – und erst recht nichts an den globalen Machtverhältnissen. Am Ende könnte der Gaza-Erfolg vor allem vor Augen führen, wo die Grenzen von Trumps Friedensdiplomatie liegen.