Der Chef der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, spricht von einer zweigeteilten Pandemie: Hier die reichen Länder mit hohen Impfraten, darunter einzelne Länder, die schon alle Corona-Massnahmen beenden wollten. Und dort ärmere Länder, die über wenig Impfstoff verfügten – das sei «eine extrem gefährliche Situation».
Zu den Glücklichen gehören die G7-Länder, die EU und die Schweiz. Sie haben genug Impfstoff für die erwachsene Bevölkerung. Bis im Sommer könnten da alle, die es wollen, geimpft sein, sagt Lily Caprani vom UNO-Hilfswerk Unicef.
Sie verlangt deshalb genau von diesen Ländern, dass sie solidarisch sind mit den ärmeren Ländern und Impfstoff spenden. Unicef hat als Organisation viel Erfahrung mit globalen Impfprogrammen und unterstützt deshalb die WHO beim Vorhaben, allen, die es wollen, Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen.
Hohe Impfrate zuhause ist nicht genug
Jedes Land, ob reich oder arm, habe schwierige Zeiten hinter sich, sagt Caprani. Nur verständlich, dass jedes Land zur Normalität zurückwolle. Aber man müsse begreifen: Eine hohe Impfrate im eigenen Land reiche nicht.
Das zeige die Entwicklung in Indien. Dort gab es nur wenige Geimpfte. Dann kam die zweite Welle, die schnell ausser Kontrolle geriet. Und inzwischen hat Delta, eine neue, ansteckendere Variante des Coronavirus, die in Indien entstand, auch Europa erreicht. Besonders ärgerlich und folgenschwer: Indien hatte zugesagt, Hunderte von Millionen von Impfdosen zu liefern. Nun exportiert es keinen Impfstoff mehr. Denn das Land braucht ihn selbst.
Keine Lieferungen für ärmere Länder
Niemand wisse, wann Indien wieder Impfstoffe exportieren werde, sagt Caprani von der Unicef. Im Juli schon – oder doch erst im September?
Kurz: Für die ärmeren Länder fehlt der Nachschub. Das Minimalziel, zehn Prozent der Bevölkerung in allen Ländern der Welt zu impfen, vor allem die ganz Alten und das Gesundheitspersonal, ist so nicht zu erreichen.